Mittwoch, 11. Dezember 2013

Unbefleckte Empfängnis

Gestern stehe ich in der Apotheke und will eigentlich meine Drogen abholen. Spontan überkommt mich der Gedanke, vielleicht auch einen Babyschnuller oder ein -fläschchen zu kaufen.
Die Regale in den neu gestylten Verkaufsräumen sind thematisch geordnet. Es gibt die üblichen Verdächtigen: "Gesundheit", "Erkältung", "Wellness" usw. Und es gibt

MAM

Dort hängen sie: die Schnuller meiner Begehr. Aber ich traue mich nicht ans Regal. Hat was von Ingolf Lück. Ich bin definitiv nicht "MAM".

Aber was oder wer ist das überhaupt? Bin ich ein "PAP"?

Leo meint dazu, es handle sich um einen regionalen, britischen Ausdruck. Die Diskussionen dazu sind etwas uneins: mam = ma'm = madam (Frau/Dame) oder auch doch mal "Mutter". Aber eigentlich eher untypisch, da die geläufige britische Variante mum (von mummy) wäre. Oder amerikanisch mom (mommy). Der Google Übersetzer kapituliert gänzlich an den drei Buchstaben. Die Wikipedia meint dazu, es handle sich sowohl um ein Volk als auch eine Sprache in Mittelamerika. Der Duden kennt's auch nicht. Es wird ja auch keine Gegenbewegung zu NO MA'AM sein? Endlich werde ich doch fündig: im niederländischen steht mam für Mama.

Also ich bin weder eine Mutter noch komme ich aus Mittelamerika oder spreche Mam. Die Verkäuferin (Inhaberin?) der Apotheke flapsig darauf angesprochen, daß ich ja eigentlich einen Schnuller kaufen will, dies aber anscheinend nicht dürfe, versteht mich wohl nicht und schiebt mir lediglich meine Tabletten rüber.
Ich fühle mich diskriminiert und fordere Gleichberechtigung am Schnullerregal! Ja, auch wir Daddys, Papas, Väter übernehmen Verantwortung, wechseln Windeln, spielen und kaufen ein. 

Donnerstag, 21. November 2013

Hilfe für die Philippinen - ganz ohne Geld

Ich hatte es schon mal angesprochen: Im Web gibt's tolle Projekte, die auf Mithilfe warten. Nach dem Taifun Haiyan die Philippinen verwüstet hat, brauchen die Helfer vor Ort Landkarten, um sich zu orientieren und die Einsatzziele zu finden. Oder auch nur, um mit Hilfe eines Vorher/Nachhervergleiches den Schaden festszustellen. Wie so oft sind gerade von derartigen Katastrophen betroffene Regionen bisher schlecht Kartografiert. Das liegt am politischen System aber auch an der Armut vor Ort und dem Desinteresse kommerzieller Kartenanbieter.

Google Maps zeigt eine mehr oder minder weiße Karte (4.12.13):
https://maps.google.de/maps?q=Panay+Island&hl=de&ll=11.544112,123.164806&spn=0.137747,0.222988&sll=52.85462,12.959061&sspn=0.339576,0.891953&hnear=Panay&t=m&z=13
Auch Bing/MSN ist nicht viel besser (4.12.13):
http://www.bing.com/maps/?v=2&cp=11.569217~123.158488&lvl=14&dir=0&sty=r&where1=Panay%20Island&form=LMLTCC

YahooMaps (4.12.13):
http://maps.yahoo.com/place/?lat=11.56547106454191&lon=123.15999984741211&q=panay%20island&bb=11.598936087947864%2C123.10485363006592%2C11.532006041135956%2C123.2151460647583&addr=Panay%20Island%2C%20Western%20Visayas%2C%20Philippines

Beim Crisismapping setzt man sich hin und zeichnet wichtige Elemente in eine Karte, die dann allen zur Verfügung steht. Das OSM Projekt engagiert sich hier jedes mal aufs neue. Internationale Organisation liefern dazu sogar inzwischen extra teilweise hochaufgelöste Satellitenfotos der Region von vor und nach der Katastrophe. Bilder, die sich ein freies Projekt sonst nicht leisten könnte. Mit den Bildern ist es dann möglich. Straßen, Gebäude, Küstenlinien und andere wichtige Daten in die Karte einzutragen. So können Hilfskräfte vor Ort erkennen, welche Straßen passierbar sind, wo Beschädigungen in welchem Umfang vorliegen und wo Hilfe notwendig ist oder erst einmal nicht.So entstehen in kürzester Zeit hilfreiche Karten, von denen alle profitieren.

OSM (4.12.13):
http://www.openstreetmap.org/#map=14/11.5642/123.1499
Wenn Sie also auch helfen wollen und kein Geld spenden können oder wollen: Machen Sie mit - das kann viel mehr helfen als ein paar Euro. Den Benutzeraccount bei OSM können Sie kostenlos anlegen und die Bedienung der Kartensoftware erfolgt im Browser und ist einfach. Aktuelle Projektaufgaben finden Sie im OSM Tasking Manager. Einfach eine Region auswählen und loslegen. Für Anfänger eignet sich vermutlich eine Aufgabe, bei der es darum geht, den Zustand vor der Katastrophe zu ermitteln. Straßen, Küstenlinien, Flüsse und Gebäude sind das wichtigste.
Eine Aufgabe, die ansteht: Arbeiten Sie die orange umrandete Fläche ab. Einfach in einem Editor (z. B. "iD") durch anklicken des Buttons öffnen.
Die Arbeit ist stupide und nicht heroisch. Aber es ist nun mal notwendig (und der Mensch kann viel besser in den teilweise unscharfen Fotos etwas erkennen und Kategorisieren, als ein Computerprogramm), akribisch jede Hütte zu erfassen. Nur so kann anhand von Vorher und Nachher-Bilder festgestellt werden, wo die Zerstörung in welchem Ausmaß gewütet hat. Die Menschen vor Ort, zu denen die Helfer dank Ihnen durchkamen, werden es danken!

Online kann dann jeder nachsehen, wo der Taifun wie gewirkt hat (so weit die Daten schon erfaßt wurden, kleinen Katenausschnitt wählen und auf Ausführen klicken):
http://overpass-turbo.eu/s/1Au
  • It displays buildings in different colors (damaged=orange, collapsed=red, typhoon:reviewed=green, all others=blue).
  • The outline of a damaged or collapsed building is yellow if the typhoon:damage=yes and source tag is missing, dashed yellow if only the source tag is missing.
  • Impassable roads are marked in magenta, they are dashed if the typhoon:damage=yes tag is missing.
  • Barrier nodes are marked in magenta, if the typhoon:damage=yes tag is missing they are outlined in yellow.
  • Areas of debris tagged with landuse=brownfield + typhoon:damage=yes are displayed in brown.

Und so geht's:
  • Account bei OSM anlegen.
  • Oben im Fenster auf Bearbeiten klicken.

  • Editor auswählen. Für Anfänger: "iD" ist einfach.
  • Erste Schritte machen.
  • Bei OSM Tasking Manager sich bei OSM einloggen.
  • Zustimmen, daß die Zugriff aus OSM Konto bekommen.
  •  Eine der derzeit wichtigen Kategorien auswählen.
  •  Sich einen Task zuweisen lassen.
  • Ab jetzt man 120 Minuten Zeit, diese Aufgabe zu erfüllen. Schafft man es nicht: kein Problem! Jemand anderes wird weitermachen.
  • Ist das selektierte Planquadrat zu groß, kann man auch auf Split klicken, um es zu verkleinern - gut für Anfänger. 
  • Ist man fertig, klickt man auf Mark Task as done.
  • Hat man es nicht geschafft, wird der Task nach Ablauf der Zeit automatisch für andere Teilnehmer freigeschaltet. Will man vorher mit der Arbeit aufhören, kann man mit Unlock den Task freigeben. Die bisherige Arbeit ist aber nicht verloren!
  • Bearbeiten Sie am Anfang keinen Task, bei dem Sie zusätzliche Hintergrundfotos/Satellitenfotos einbinden müssen. Diese erkennen Sie daran, daß unter dem grauen Feld mit Schritt 1 darauf hingewiesen wird. Unlocken Sie dann den Task und wählen Sie dann eine andere Region (am besten weiter oben in der Auswahl der aktuell wichtigen Kategorien eine andere Kategorie wählen). Sollte das Satellitenfoto für Ihren Task zu schlecht sein, lassen Sie es ebenfalls - darum können sich die Profis kümmern. Unlocken Sie den Task und versuchen Sie es mit einem neuen anderen Task.

 Und so bearbeiten Sie den Task:
  1. Unbedingt mit der rechten Maustaste auf den Link .gpx file klicken (wenn man mit dem Editor "iD" arbeitet (immer noch empfohlen für Anfänger) und die Datei/das Ziel als Datei auf dem eigenen PC kurz zwischenspeichern ("export.gpx").
  2. Auf die Schaltfläche für den Editor klicken. Ich empfehle... "iD".
  3. Der Editor öffnet sich in einem neuem Browsertab. Nicht den Tab mit dem OSM Tasking Manager schließen.
  4. Im Editor rechts auf der Leiste auf die Hintergrundeinstellungen klicken und die Helligkeit des Satellitenfotos anpassen.
  5. Bei den Hintergrundeinstellungen klicken Sie auf die Lupe neben Lokale GPX Datei und öffnen die weiter oben auf Ihrem PC gespeicherte GPX Datei ("export.gpx"). Dadurch wird das Planquadrat an dem Sie arbeiten sollen, markiert.

  6. Bearbeiten Sie die Fläche und vergessen Sie nicht, immer wieder (alle zehn Minuten) zu Speichern. Dazu sind zwei Klicks notwendig!

Viel Erfolg!

Samstag, 16. November 2013

Ich sollte Pornostar werden

Im Internet kursieren Fotos der Arbeit einer Stylistin, die sich darauf spezialisiert hat,  mehr oder minder durchschnittlich aussehende Frauen so zu schminken, daß Sie als Pornostar sexy, jung, frisch und frivol aussehen. Die Ergebnisse sind wirklich beachtlich. Teilweise fragt man sich sogar, haben sie die Frau vorher zum Maskenbildner für Gruselfilme geschickt?
Für Otto-Normalfrau, die keine Stunden Zeit morgens bei einem Profi verbringen will oder kann, findet sich vielleicht sogar die eine oder andere Anregung fürs eigene Make-up, denn es wird zwar kräftig davon Gebrauch gemacht, aber meistens sehen die Frauen anschließend nicht aus, als wären sie frontal in den Farbeimer gefallen.
Was ist mal wieder mit uns Männern? Wir müssen mit unseren Falten, Krähenfüßen, müden Augen, Pickeln usw. leben. Inzwischen gibt es zwar auch Männerpflegeprodukte, aber dabei handelt es sich um die gleiche Abzocke, wie bei den Frauen mit deren Nacht- und Antifaltencremes. Die nützen gar nichts und sind nur teuer. Aber ein geschminkter Mann wirkt immer irgendwie weniger hetero.
Bleibt die Hoffnung, daß wir bald alle mit einer Google Glass rumlaufen und die dann "online" permanente Retusche und Fotokorrektur beherrscht und wir nur noch schöne Menschen sehen.

Donnerstag, 7. November 2013

Magische Margarinepackung

Letztens gab es streichfestes Wasser mit Fett- und Emulgatorzusatz im Angebot. Leider ist mir zu spät aufgefallen, daß der versprochene Mehrinhalt (zum gleichen Preis wie sonst der 500 g Becher) sich nach kurzer Zeit anscheinend selbst zerstört oder auf mysteriöse Weise aus dem Becher verschwindet. Diffusion mit dem Plastikbecher, Verdunstung, Osmose - wer weiß schon was das für eine tickende Zeitbombe ist?


Auf jeden Fall machte mich das skeptisch. Gibt das MHD nun an, bis wann ich die 100 g mehr auch nutzen kann oder bezieht sich das nur auf die verbleibende Menge? Normalerweise kann man das Datum ja (vor allem bei Nicht-Frischeprodukten) weit überziehen. Aber was versteht der Hersteller unter "kurzer Zeit"? Die Werbebotschaft, die vielleicht auch nur dazu dienen soll, mich unter Kaufdruck zu setzen, verunsichert mich nun und ich bestreiche mein Brot mit mehr Fett als sonst, damit ich den Inhalt rechtzeitig verbraucht habe.
Leider hat mir eine Anfrage beim Verbraucherservice von Unilever bisher keine Antwort eingebracht. So war ich froh, als ich heute eine ähnliche Aktionspackung sah. Diesmal nennt sich das "Vorteilspack" und das Streichfett hält sich wohl länger - zumindest wird auf den Warnhinweis verzichtet. Ich hoffe, die haben da jetzt nicht noch mehr Chemie reingemischt, damit das klappt.

Samstag, 26. Oktober 2013

Stell' Dir vor es ist Krieg und jeder geht hin

Frei nach Carl Sandburg

Heute herrscht Krieg: jeder Staat gegen den anderen und gegen die Weltbevölkerung. Überall lauert der Anschiß und Terrorismus.

Heute wäre die Möglichkeit gewesen, ein Zeichen gegen den Überwachungswahnsinn zu setzen und auf die Straße zu gehen. Ich nehme mal an, die Zahl der Teilnehmer wird überschaubar bleiben.
Aber das ist auch gut so. Immerhin handelt es sich bei den Abhörmaßnahmen um legale und legitime patriotische Handlungen, wie renommierte Journalisten mit - aus meiner Sicht - etwas verdrehten Moral- und Rechtsverständnissen behaupten.
Daraus wird klar, dass sich der Begriff – und der in den USA ziemlich umfangreiche Schutz der Whistleblower – auf Beschäftigte eines Unternehmens oder einer staatlichen Behörde beziehen, die zum Ergebnis kommen, ihr Arbeitgeber verstoße gegen geltende Gesetze, Verordnungen usw., und die keine Möglichkeit sehen, innerhalb des Unternehmens oder der Firma gegen diese illegalen Praktiken vorzugehen.
Genau das ist es: Spionage gegen ein Land wird von jedem betroffenen Land als illegal angesehen. Der Patriot Act verstößt gegen US Recht. Geheimgerichte sind illegal. Guantanamo ist menschenrechtlich illegal. Überwachung von US Bürgern durch US Geheimdienste ist illegal, das sammeln meiner Daten ist illegal, Abgreifen von Daten seitens einer EU-Regierung und weitergabe an eine Nicht-EU Regierung ist ... illegal! Snowden hatte sicher keine Möglichkeit innerhalb seiner "Firma" gegen diese Praktiken vorzugehen. Nicht einmal Staaten schaffen es, wie man sieht. 

Das der NSA-Chef solchen Müll verzapft, wundert ja nicht sonderlich. Immerhin schadet Snowden dem Frieden und hat Menschenleben auf dem Gewissen, wenn der offenbart, daß Handys führender Staatsoberhäupter abgehört werden. Keine Ahnung, wie das Menschenleben kostet, aber ich muß es auch nicht wissen und darf es auch nicht.

Man merkt, die Bundestagswahlen sind vorbei und wir erwarten die große Koalition (im Gegensatz zu all den heuchlerischen Journalisten und Politikern hat wohl kein Mensch je daran gezweifelt, daß es dazu kommt, als die Wahlergebnisse halbwegs feststanden, dafür sind Politiker viel zu machtgeil - einzig die Frage, wie lange das hält ist vielleicht spannend). Ansonsten wäre es doch eine gute Gelegenheit als Partei Flagge zu zeigen und sich zu positionieren. Vor allem Parteien wie die Piraten, die Linke und die Grünen - also all die Verlierer der Wahl - könnten in ihrem Wahlkreis eine Kundgebung abhalten und dafür sorgen, daß ich nicht 250 km bis zur nächsten Demo zurücklegen müßte (was ich ehrlich gesagt auch nicht machen werde). Vor der Wahl schwenkten diese Parteien noch alle einhellig und heuchlerisch ihre Transparente.

Es ist wirklich traurig. Vor ein paar Wochen - da ging es noch um Wählerstimmen - heuchelten alle Parteien, wie wichtig ihnen das Thema ist. Jetzt sind die Piraten, die Linken und die Grünen die Verlierer und verstecken sich in Ihren Löchern und zerfließen vermutlich vor Selbstmitleid. Dabei ist nach der Wahl vor der Wahl: Wer in den Bundestag will, muß auch in den Landtag. Es wäre die Gelegenheit jeder kleinen Ortsgruppe, eine Kundgebung abzuhalten. Schon 30 Leute auf dem Marktplatz würden dafür sorgen, daß die Lokalpresse darüber berichtet. Gerade jetzt, wo dank Muttis Handyskandal alle wieder mitreden wollen. Aber nein, die Gelegenheit wird verschlafen. Nichts von wegen Kernkompetenz und Umbruch. Immer der gleiche verlogene Propagandastil: Kurzes aufwachen vor einer Wahl, schnell auf alle sich bietenden Züge springen und dann sich wundern, daß die Bürger einen nicht ernst nehmen und nicht wählen. Ein Glück haben unsere Eltern das mit dem Frieden, der Abrüstung und der Atomkraft irgendwie besser hinbekommen. Wie haben die das nur gemacht ohne Handy, Twitter und Facebook? Ach ja: die redeten noch miteinander IRL, beim Offline-Shoppen, auf der Demo. Anschließend gingen sie miteinander ins Bett und raus kamen wir: faul, träge, uninteressiert.

Der rechte Abschaum wie NPD & Co. zeigt sich bei jeder Gelegenheit auf der Straße und macht auf sich aufmerksam. Die demokratischen Parteien ziehen den Kopf ein und wundern sich dann auch noch darüber, daß ihnen die Wähler weglaufen und die Nazis zulauf haben. Wenn man dem Volk nichts bietet und keine Werbung für sich macht, um in den Köpfen präsent zu sein, dann reichen Haßparolen, um als Alternative angesehen zu werden.

Donnerstag, 24. Oktober 2013

Mutti hat doch (k)ein(e) Geheimnis(se)

Angela Merkels Handy wurde wohl von der NSA abgehört. Das ist überhaupt nicht schlimm. Immerhin haben wir gelernt, daß wer keine Geheimnisse hat, auch nichts zu befürchten hat. Es geht immer nur um Terrorabwehr und wer weiß schon, wozu Zonen-Gaby ... äh -Mutti, so alles fähig ist, mit ihrem Arsenal an willfähigen Schläferzellen. Wieso also, regt sie sich jetzt auf und beschwert sich beim angehenden Feind der Demokratie, wo doch bisher alle anderen Abhörmaßnahmen sinnvoll und angemessen gewesen sein sollen?
BTW: Leider haben wir Proletarier nicht die Möglichkeit, uns so einfach zu beschweren. Aber trotzdem sind wir nicht machtlos: verschlüssele endlich Deine Emails!


Dienstag, 22. Oktober 2013

Armutszeugnis gefälschte Statistik

Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast. Nach dem Motto werden wir jeden Monat von Presse und Staat betrogen, wenn die aktuellen Arbeitslosenzahlen mit vor Stolz geschwellter Brust vorgetragen werden und mal wieder ein schöngerechneter Rückgang zu vermelden ist. Dabei kann man eigentlich nicht einmal dem Arbeitsamt (oder wie sie sich jetzt selber nennen: der Arbeitsagentur - klingt viel progressiv dynamischer) einen Vorwurf machen, denn die echten Zahlen werden durchaus veröffentlicht. Nur will die keiner verbreiten.
Es geht um die Zahl derjenigen, die zwar irgendeinen Job haben, aber von dem, was sie dabei verdienen nicht leben können und deshalb Geld vom Staat bekommen müssen. Irreführend wird hierbei von Unterbeschäftigung geredet. Das hört sich dann an, als würden die Leute zu wenig beschäftigt sein und noch viel zu viel Freizeit haben. Dem ist meist nicht so. Nimmt man mal die echten Zahlen, dann haben wir im September 2013 nicht 6,6 %, sondern 8,6 % arbeitslose:
Quelle: http://www.pub.arbeitsagentur.de/hst/services/statistik/000200/html/webapp/betaArbInteraktiv/Main.html
Unterbeschäftigung führt dazu, daß Leute um jeden Preis einen Job annehmen (müssen) und dann am Ende gerade einmal so viel verdienen, daß sie sich nur ein ärmliches Mahl "leisten" können:
Quelle: http://www.heise.de/tp/artikel/40/40144/40144_1.jpg
Zu meiner Schulzeit lernte ich, daß Arbeiter während der industriellen Revolution (in England und in Europa) von Arbeitgebern ausgebeutet wurden, weil es genügend Arbeiter und zu wenig Jobs gab. Da sich keiner dagegen zu Wehr setzen konnte und wollte, besserte sich auch erst einmal nichts. Nach dem Gewerkschaften gegründet wurde und die Rechte der Arbeiter gestärkt wurden, besserte es sich. Nun sind wir wieder auf dem schlechten Weg zum Verkauf der Arbeitskraft zu jedem Niedriglohn. Danke an die Politik! Aber nein, die kann ja nicht Schuld daran sein. Immerhin hat das Proletariat gerade erst die vorherige Regierung mehr oder weniger wiedergewählt. Anscheinend haben die einen guten Job gemacht. Also muß der Arbeitgeber Schuld sein, der seine ihm gebotenen Möglichkeiten ausschöpft und zum Ausbeuter wird. Oder doch der ausgebeutete Arbeitnehmer, der mit seiner (zwangsweisen) Geiz-ist-geil Mentalität immer auf der Suche nach dem Superschnäppchen auch selbst zum billigsten greift und so den Arbeitgeber zur Ausbeutung antreibt und seine eigene Unterbezahlung immerhin hinnimmt.

Pervers an der Entwicklung ist, daß wir als Verbraucher das System zweifach finanzieren:Wir zahlen die Steuern, von denen die Unterbeschäftigten vom Arbeitsamt finanziell unterstützt werden und wir zahlen die Steuern, die den Unternehmen geschenkt werden: Große (und auch viele kleine) Firmen diktieren nicht selten den Kommunen ihre Steuerbedingungen: GewerbesteuerbefreiungEEG-Umlage, Steueroasen usw.

Sonntag, 1. September 2013

Mehr sparen!

Wir sind vermutlich Weltmeister im sinnlosen recyceln und mülltrennen. Die Industrie und Politik hat uns erfolgreich mit ihrem Glauben an die Gelbe Tonne indoktriniert und täglich üben wir den Kniefall vor dem Mülleimer oder einer der anderen zig bunten Tonnen.

Mal abgesehen von dem ganzen unbrauchbaren Plastikmüll, gehört Papier (neben Glas und Metall) zu den wenigen wirklich wiederverwendbaren Rohstoffen. Trotzdem muß unser Klopapier strahlend weiß sein. Im Test von Stiftung Warentest befanden sich gerade einmal vier (von insgesamt 27) Recyclingpapiere ("Recycling-Toilettenpapier im Laden zu finden, ist allerdings gar nicht so einfach. Nicht sauber und nicht weich genug, lautet das übliche Vorurteil."). Manche Hersteller verschweigen sogar die Nutzung von Recyclingpapier.


Haben Sie schon mal versucht Recyclingdruckerpapier zu kaufen? Im Supermarkt und auch im Schreibwarenladen gibt es zwar gleich mehrere Sorten hochfeinem Kopierpapier aus Frischholz, aber nicht ein Paket Recyclingpapier (was auch weiß sein könnte).

Und alle zwei Wochen landen weitere 500 Gramm Müll in unserem Briefkasten: bunte Werbedruckerzeugnisse der örtlichen Discounter und das typische mehr oder minder inhaltslose Wochenblättchen.
Ein kleiner Aufkleber am Briefkasten könnte die Flut zwar eindämmen, aber dann verpassen wir ja vielleicht das eine oder andere essentielle Schnäppchen und würden weniger mehr sparen.

Sonntag, 25. August 2013

Toute nation a le gouvernement qu'elle mérite

Geheimdienste schnüffeln uns aus. Unsere Freiheit wird uns geraubt, Grundrechte mißachtet, die Pressefreiheit untergraben.

Und allen scheint es egal zu sein.

Alle schauen nur zu, zucken mit den Schultern und machen weiter wie immer.

"Es ist doch nicht so schlimm"
"Es geht mir ja nicht ans Portemonnaie"
"Was soll's"
"Keine Zeit"

In den heute-Nachrichten wird heute nur kurz vom Moderator erwähnt, daß eine der höchsten (wenn nicht die höchte) internationalen Vereinigungen - die UNO - von der NSA illegal belauscht wird. Das ist ein Skandal, denn es geht damit eindeutig nicht mehr um Terrorismus oder ähnliches. Da maßt sich ein Geheimdienst an, die Vertraulichkeit, auf der zum Teil der Frieden dieser Welt basiert oder die Vertraulichkeit, die zu Frieden führen kann, zu mißachten und mit den Füßen zu treten. Und das ganze wird in ca. 20 Sekunden abgehandelt.
Anschließend wird dann in einem langen Videobeitrag über den völlig belanglosen Tag der offenen Tür bei der Kanzlerin (reine Wahlkampfpropaganda) berichtet.

Jedem ist es zu mühsam, sich zu bewegen, sich ein wenig Zeit zu nehmen und wenigstens ein klein wenig zu rebellieren. Sind wir so faul geworden, so träge, so gleichgültig?

In welcher Welt wollen wir Leben? Haben wir aus Gestapo und Stasi nichts gelernt? Brauchen wir noch einen Überwachungsstaat?

Wo wären wir, wenn unsere Eltern auch so bequem gewesen wären und keine Zeit gefunden hätten, für Frieden in der Welt oder gegen Atomkraft auf die Straße zu gehen? Was braucht es noch, damit ihr endlich aufwacht?

#StopWatchingUs

Auch wenn das Thema wirklich schwer zu überschauen ist und sehr abstrakt, da man Daten so schlecht greifen kann: Es geht jeden was an. Mach Dich schlau.


Jedes Volk hat die Regierung, die es verdient.[1]
„Allerdings gilt die Weisheit oft auch umgekehrt. Auch die Regierenden haben das Volk, das sie verdienen. Denn in stabilen Staatswesen haben sie sich durch ihr Handeln ihre Bürger zu dem erzogen, was und wie sie sind.“[2]





Freitag, 28. Juni 2013

Sheldon's law

Ja!
Endlich mal ein Urteil, daß alle trifft, die einfach keine Ahnung von der richtigen Nutzung des Internets haben und erfahrene Anwender und deren berechtigte Bedürfnisse nach Privatsphäre ernst nimmt. Wie oft bekomme ich emails, in denen eine ganze Liste von mir fremden Adressen steht. Sicher nicht gleich zehn Druckseiten lang, aber egal: es geht um den Schutz personenbezogener Daten, da spielt die Zahl der offengelegten Daten keine Rolle. Wer jetzt noch immer nicht kapiert, wozu BCC in seinem email client vorhanden ist, der gehört gesteinigt.
Wie Sheldon schon sagte: Es könnte helfen, ein Exempel an einigen zu statuieren.

Jetzt fehlt nur noch, daß all diejenigen bestraft werden, die es partout nicht unterlassen können, proprietäre Dateiformate wie Word oder Excel ungefragt zu verschicken und erwarten, daß ich die öffne und bearbeite.

Mittwoch, 19. Juni 2013

Stasi 2.0: Sterben für die Freihheit!

Wieviele Menschenleben ist uns die Freiheit Wert? Fragt sich zuerst einmal: welche Freiheit? Wessen? Zum Beispiel die im nahen Osten: Wieviel Tote sind akzeptabel für die Freiheit - oder das billige Öl - in Irak und Iran? Im Golfkrieg fielen neben den hundertausend Einheimischen mehr als 370 Angehörige der Streitkräfte der Alliierten. Nach Ansicht der Hardliner ist das ein hinzunehmender Blutzoll.

In den letzten Wochen machen die USA Schlagzeilen durch Aufdeckung des PRISM Überwachungsprogramms zur Überwachung und Auswertung von elektronischen Medien und elektronisch gespeicherten Daten seitens der NSA. Es sind so viele Meldungen und erschreckende Aufdeckungen, daß ich laut Schreien möchte. Jeder Idiot, der sich sicher fühlt und der Meinung ist, Überwachung sei notwendig und gerechtfertigt, um die Sicherheit eines Landes vor (teilweise imaginären) Gefahren zu beschützen, dem sollte umgehend die Wahlberechtigung entzogen werden. Die USA überwachen alles.
Die Zahl der Newsbeiträge alleine bei heise ist so groß, daß ich sie alle gar nicht hier kommentieren oder zusammenfassen kann.
Jede Email, jede Webseite, jeder Webseitenabruf, jede Suchanfrage, jedes Telefonat, jede SMS. Und immer noch gibt es Leute, die behaupten, sie hätten ja nichts zu verheimlichen, es ist doch gut, wenn dadurch die Bösen gefunden, werden. Schaltet Euer Hirn ein! Wer entscheidet denn, wer zur Achse des Bösen gehört? So viele Kriege, Demonstrationen, Aufstände usw. wurden von den Machthabern als Angriff auf sonstwas bezeichnet, wurden aber zumindest von der "freien Welt" als positiv gewertet und führten im Nachhinein betrachtet in die Freiheit, zu Demokratie und Menschenrechten etc.  - oder auch zur noch mehr staatlicher Unterdrückung. In der Türkei werden gerade mehr oder weniger harmlose Demonstranten von der eigenen Regierung als Terroristen betitelt. Das Wort Terrorist sitzt seit 9/11 ziemlich locker bei Regierungen und Sicherheitsorganen. Wann ist das, was bisher eine harmlose Kommunikation war, ein terroristischer Akt? Die Einwanderungsbehörde der USA kann jeden Einreisenden bei kleinstem Verdacht an der Grenze ohne Begründung abweisen - unter dem Deckmantel der Terrorismusbekämpfung. Die USA hat Angst! Ein ganzes Land scheint unter dem Dogma zu leben, das überall um sie herum das Böse nur darauf wartet, sich über die Bürger herzumachen.
Früher exportierten die USA neue Trends, Weltanschauung und den American Way of Live. Heute ist es Angst. Und alle Länder lassen sich anstecken. Aus Angst vor einer möglichen Gefahr, die keiner genau beschreiben kann, die keiner kennt und über die keiner redet, weil er zum Stillschweigen verdonnert ist, lassen wir uns in unseren Freiheiten beschneiden, nehmen immer mehr Überwachung und Kontrolle in Kauf und lächeln über die, die Orwell zitieren. Ist doch (noch!) alles nicht so schlimm, das hat doch seine Berechtigung, das ist zum Wohle der Allgemeinheit.
Und was haben wir davon? Weniger Angst? Nein.
Während ehemalige Präsidenten im offenen Wagen durch die jubelnde Volksmasse fuhren und vor dem Schöneberger Rathaus oder dem Brandenburger Tor sich feiern und ins Herz schließen ließen, verschanzt sich der Präsident der freien Welt aus lauter Angst um sein kleines, bedeutungloses Leben, hinter zentimeterdicken Panzerglas und ruft seine Rede einer handverlesenen Schar von Zuschauern mit Winkelementen zu - ganz so, wie man es aus jeder Diktatur kennt.
Ja, wir leben in einer Diktatur, wenn wir und von anderen diktieren lassen, daß wir Angst haben sollen, daß wir ständig bedroht werden. Hätten Sie Angst, wenn der Terror nicht mindestens einmal täglich irgendwo breitgetreten werden würde? Ich habe keine Angst vor einer nicht greifbaren, abstrakten Gefahr.

Aber wieso schicken wir Soldaten in den Krieg, nehmen hin, daß sie sterben und sind dann auch noch Stolz darauf (oder unsere Bündnispartner sind es)?
Die weitläufige Überwachung von Telefonverbindungen und des Internet durch amerikanische Geheimdienste hat nach Angaben der US-Behörden in den vergangenen Jahren etwa 50 Terror-Verschwörungen in 20 Ländern vereitelt.
Quelle: http://www.zeit.de/digital/2013-06/obama-nsa-terroranschlaege
Wohlgemerkt: "Verschwörungen" nicht Attentate! Nachprüfen kann das keiner. Wieviele Menschen wären dabei vielleicht gestorben?
Aber nicht nur die USA spionieren. Auch die deutschen (und viele andere Staaten auch) und sie wollen immer mehr Daten durchforsten.
2011 hatte der Bundesnachrichtendienst fast 2,9 Millionen E-Mails und SMS wegen des Verdachts auf Terrorismus, Waffen- oder Menschenhandel überprüft.
Bericht des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestages (PDF)
Und (angeblich) haben die deutschen Politiker nicht einmal davon gewußt, daß sie selbst von den Briten ausgeschnüffelt werden. Da fragt man sich doch, wozu die eigene Schnüffelei gut ist, wenn man nicht einmal den Feind im eigenen Bett erkennt. Aber vermutlich hätte man dazu einfach noch mehr Nachrichten "überprüfen" müssen. Ist doch eigentlich eine gute Argumentation: "Wir brauchen die totale Überwachung, damit wir die totale Überwachung anderer überwachen können".

Die Vogel-Strauß-Nutzer werden auch dies nicht als störend empfinden. Aber sie sollten sich überlegen, wie es weitergeht: Britische Internet-Provider müssen Porno-Filter einsetzen. Das ist Zensur! Wer Pornos zensieren kann, hat die Technik zur Hand, alle anderen Inhalte auch zu zensieren. Die Zensur erfolgt nämlich auf Basis einer Liste von Webadressen und nicht auf Analyse tatsächlicher Inhalte. Wer entscheidet, was zensiert werden darf oder wie weit wir entmündigt werden dürfen?

Damit komme ich zur Statistik am Anfang: Für Frieden, Freiheit, Öl und Waffengeschäfte opfern wir tausende Zivilisten und Soldaten bereitwillig. Vielleicht sollten wir lieber auch ein paar Opfer durch Verschwörungen akzeptieren, bevor wir hinnehmen, daß wir (wieder) in einem Stasi-Staat leben. Gänzlich verhindert hat die ganze Schnüffelei nämlich gar nichts. Es gab schon immer Tote, weil andere ihre Ideologie (von Glauben, Frieden, Gerechtigkeit usw.) nicht mit Worten durchsetzen konnten, sondern lieber zur Waffe griffen. Wieso muß es jetzt friedlicher werden und für den kläglichen Versuch werden viele Freiheiten, für die unsere Vorfahren und Mitmenschen gekämpft haben, die in unserer Verfassung oder dem Grundgesetz garantiert sind, auf dem Altar der Terrorismusbekämpfung geopfert?

Es ist schon peinlich: Ein Staat, der sonst vermeintliche Feinde ohne Gerichtsverfahren oder Zubilligung von Menschenrechten einfach entführt und verschleppt, bettelt bei den Mächten, die er vorher ausgespäht und so gegen sich aufgebracht hat, nun darum, daß ihm ihr derzeitiger Staatsfeind Nr. 1 ausgeliefert wird.  
[US-Außenminister John Kerry] drängte Russland demnach dazu, sich an die juristischen Standards zu halten, "denn das ist in jedermanns Interesse"[1]
Datenschutz und Privatsphäre sind dann wohl keine Standards in jedermanns Interesse, sondern Werkzeuge des Terrorismus. Und trotz der allumfassenden Überwachung wissen sie nicht einmal, wo sich "der böse Verräter" gerade aufhält.

Amnesty

Nachtrag v. 1.7.13: Es eskaliert immer weiter. Es steht aber zu befürchten, daß keine Lehren daraus gezogen werden. Immerhin buckelt die Bundesregierung und die EU seit Jahren vor den USA und liefert immer wieder Daten frei Haus.

Samstag, 15. Juni 2013

Hochwasser 2013: Ein Einsatzbericht

Das Hochwasser in Deutschland hält Anfang Sommer 2013 alle in Atem. Erst regnet es ewig und heftig und dann ist es so weit und die Flüsse treten über die Ufer. Wer Schuld daran ist, was alles hätte vorher besser gemacht werden können, was wir daraus lernen und wie es den Betroffenen ergeht, ist bereits viel besprochen worden und wird noch lange Thema sein. Ebenso wie die Erkenntnis, daß die versprochenen Milliardenhilfen nicht etwa bei den "Opfern" ankommen wird, sondern auch bei den Katastrophenschutzeinrichtungen landen wird, denn irgendwer wird die Sandsack-, Diesel-, Transport-, Verpflegungs- und Unterbringungskosten, Verdienstausfälle bei den Helfern und Schäden an eingesetztem Material und Landschaft bezahlen müssen.
Hier will ich die Gelegenheit nutzen und die Katastrophe aus meiner Sicht, der eines freiwilligen und ehrenamtlichen Helfers beim THW, schildern.

Samstag, 1.6.2013
Heute ist normaler Ausbildungstag. Seit Tagen spitzt sich die Lage im Süden und Osten zu und die ersten Gerüchte machen die Runde, daß auch wir mit der Fachgruppe Wasserschaden/Pumpen, wohl demnächst ausrücken werden.

Sonntag
Überraschend wurde der für Mittwoch angesetzte Termin zur Überprüfung und Verlastung der Technik und Herstellung der Einsatzbereitschaft auf Heute vorverlegt. Mit viel Elan und zahlreichen Anekdoten aus vergangenen Hochwassereinsätzen wird alles fertig gestellt. Die Gerüchteküche kocht und spricht von Wittenberge als Zielort. Immerhin ist der dortige THW Ortsverband mit dem unseren enger befreundet und man kennt sich gut. Sonntag wurde schon in fiebriger Erwartung geplant, wer wo schläft und von wem wir bekocht werden und vom wem besser nicht.

Montag bis Donnerstag
Jetzt soll es jeden Tag losgehen. Genaues weiß keiner. Währenddessen sehe ich tagsüber immer wieder im Fernsehen Berichte über die zunehmenden Wassermassen und ärgere mich darüber, hier zu sitzen und abwarten zu müssen, während die Feuerwehren und die Bundeswehr, sogar niederländische Einheiten, sich aktiv beteiligen und im Einsatz helfen. Es scheint so, als würde jeder gebraucht, der anpacken kann. Wieso also sind wir nicht längst irgendwo unterwegs? Aber ruhig, die Katastrophe wird noch tage-, wochen- und vermutlich sogar monatelang anhalten und auch wir kommen noch zum Zuge. Immerhin ist dies die Situation, für die wir ausgebildet wurden, Technik bereithalten und der Grund, warum man sich als Helfer bei einer Katastrophenschutzbehörde engagiert: man will helfen, wenn Not herrscht. Die Geduld wird aber auf eine harte Probe gestellt und die Erkenntnis, daß wir als Teil einer großen Organisation nicht einfach losstürmen können, sondern darauf warten müssen, daß die Führungskräfte uns gezielt einsetzen werden, hilft nur wenig. Abends kommt mal wieder eine SMS vom Ortsbeauftragten. Wie schon an den vorherigen Tagen werden wir vertröstet und gleichzeitig aufgefordert Bereit zu sein, es könne jeden Augenblick losgehen - aber wohl erst am Montag.

Freitag
Am Nachmittag wieder eine SMS: Alarm, jetzt geht es los. Also schnell die Tasche gepackt und auf zum Ortsverband. Dort herrscht eine Mischung aus Chaos, Hektik und Ruhe vor dem Sturm. Es wird gepackt, festgelegt, wer wo mitfährt, ein paar Lebensmittel werden jetzt noch gekauft und dann geht es los: Nicht nach Wittenberge im Nordwesten, sondern in den Süden nach Schweinitz bei Jessen. Auch gut; hier waren einige Helfer schon 2010 beim Hochwasser. Man kennt sich. In dem Fall zwar die Feuerwehr, aber immerhin. Nach ein paar Stunden sind wir in Jessen und warten auf weitere Befehle. Es gibt zwar keinen Arbeitsauftrag aber die Anweisung, uns in der Turnhalle in Schweinitz einzuquartieren. Kurzerhand wird beschlossen, bei der Feuerwehr vorbeizuschauen und dort zu nächtigen. Die eine Fahrzeughalle wird leer gemacht und wir schlagen unsere zwölf Feldbetten auf. Bei den Kameraden der Feuerwehr glüht natürlich schon der Grill und kurz danach hat jeder die obligatorische Bratwurst in der Hand. Getränke sind auch da, was will man mehr?
Kurz vor dem dunkel werden wird noch ein Spaziergang zur Elster gemacht, wo andere THW Kräfte einen Kanal auspumpen, weil das Schöpfwerk dies nicht mehr schafft. Ein kurzer Plausch und noch ein Blick auf den Deich, der gerade ausgebessert wurde, als das Wasser kam und es geht zurück zur Wache.

Während die meisten anderen sich auf einen gemütlichen Abend in der Fahrzeughalle nebenan vorbereiten, lege ich mich auf mein Bett. Ich will ein wenig zur Ruhe kommen, nach Trinken ist mir gerade nicht und wenn es Morgen richtig zur Sache kommen sollte, will ich halbwegs fit sein, die Nacht wird sicher nicht ganz erholsam. Im Halbschlaf bekomme ich mit, wie einzelne Kameraden immer wieder hereinkommen und zur deponierten Rum- und Colaflasche greifen, um sich nachzuschenken bis irgendwann alle auf einmal in der Halle stehen, auch ins Bett fallen und ein Schnarchkonzert beginnt, an dem ich mich gegen Morgen auch kräftig beteilige.

Samstag
Während ich Kaffee koche, kommt das Frühstück in Form von Lunchpaketen. Nach dem Essen geht es los: Wir sind nach Vockerode verlegt worden, weil es hier für uns doch nichts zu tun gibt und wir dort gebraucht werden. Also 50 km durch den Fläming gen Westen nach Sachsen-Anhalt. Der Wessi kennt diese Elbbrücke der heutigen A9 meistens aufgrund der einprägsamen Leuchtreklame "Plaste und Elaste aus Schkopau" zu DDR-Zeiten und dem markanten Kraftwerksbau mit seinen Schronsteinen.
Nach kurzer Irrfahrt stehen wir bei eben diesem alten Kraftwerk und die Führung kontaktiert die Einsatzleitung. Währenddessen erlebe ich, wie gelassen, frohen Mutes und mit viel Elan die hiesige Bevölkerung sich selber hilft. Schon gestern fragten uns zwei Frauen, kaum waren wir in Jessen stehen geblieben, wo sie denn Sandsäcke schleppen könnten. Hier sind bereits tausende von Säcken befüllt und zahllose Helfer stehen im Schatten, kommen und gehen und warten auf irgend etwas. Da kommt es: der nächste Laster mit Sand. Kaum ist dieser abgekippt, schnappen sich die Leute Schaufel und Säcke, bilden eine Kette und befüllen ohne Aufforderung in einem erstaunlichen Tempo die Säcke, reichen sie weiter und dabei reden und lachen sie sogar. Der Sand ist schneller weg, als er nachgeliefert werden kann.
Von Katastrophenstimmung, Wehklagen oder Hoffnungslosigkeit keine Spur. Gut, hier herrscht nicht das ganz große Hochwasser. Aber einige Flächen und Keller sind schon geflutet, die Kanalisation ist voll, die Toiletten funktionieren nur noch halb. Wir werden erst einmal zur Feuerwehr hereingebeten und auf Kaffee und Brötchen eingeladen.
Anschließend geht es zur Einsatzstelle. Unsere Aufgabe wird es sein, einen Graben abzupumpen und das Wasser in den bereits gefluteten Polder dahinter zu leiten. Bei starker Hitze bauen wir unsere große Pumpe (5.000 l/min) und sechs weitere kleinere Elektropumpen, die zusammen noch mal etwa die gleiche Leistung bringen, auf. Ein paar der E-Pumpen wollen nicht so ganz mitspielen und alle sind mit guten Ratschlägen zur Hand. Unser Elektriker zückt das Werkzeug, fummelt eine Weile und bringt die Sache dann irgendwie zum laufen. Was der Fehler war, erfahre ich leider nicht. Aber das geht mich wohl auch nichts an, denn eigentlich gehöre ich ja eh zu einer anderen Fachgruppe.
Nach dem alles in Betrieb ist, kehrt langsam etwas Ruhe ein und die Erschöpfung macht sich bemerkbar. Einige braten in der Sonne, andere verziehen sich unter die Autobahnunterführung wo es zwar kühl ist, aber merkwürdig lästige große Flugviecher sich auf einen niedersetzen. Mein Vorschlag, weitere Fahrzeuge in den Schatten zu fahren, wird kategorisch abgelehnt. Und wie kann es anders sein: Schon kommt ein Privat-Pkw und bringt die Versorgung: Getränke lehnen wir inzwischen fast ab, da wir reichlich Vorrat haben. Dafür schmeckt die Gemüsesuppe aus der Sternehotelküche um so besser. Abends geht es so weiter: Berge von Brötchen, frisches Obst und Kaffee werden vom netten Cateringteam gebracht.
Gegen Abend kommt eine Feuerwehreinheit und baut ihre Hydraulikpumpe auf, um ebenfalls den Pegel im Kanal abzusenken. Man beäugt sich gegenseitig, bleibt aber doch mehr oder weniger unter sich.
Es wird Zeit, die Schlafmögichkeiten zu eruieren, zumal beim Packen darauf verzichtet wurde, ein Mannschaftszelt mitzunehmen. Wir haben Glück: Wer auch immer, hat uns Zimmer in einer Pension zugewiesen. So können wir in Zweibettzimmern schlafen, haben eine einfache Dusche und WC. Die Pension verströmt zwar noch den Charme vergangener DDR-Zeiten und es würde nicht wundern, wenn Wilhelm Pieck oder Honnecker einen aus einem Foto an der Wand her anschauen würden. Dafür ist die Herbergsmutter redlich bemüht und kümmert sich fürsorglich um uns. Schnell sind die drei Wachsschichten festgelegt und wer kann, haut sich aufs Ohr. Ich darf von 22 bis 6 wach bleiben, ab und zu nach dem Rechten schauen, ob genug Treibstoff da ist und alles läuft. Irgendwann fallen mir dann doch die Augen zu und ich bin froh, daß wenigstens einer meiner Kameraden wach geblieben ist.

Sonntag
Um sechs frühstücken, duschen und dann bei hellstem Sonnenschein einschlafen ist nicht gerade mein Ding. Lange liege ich im Halbschlaf und versuche, mit einem Handtuch meine Augen abzudecken. Am frühen Nachmittag mache ich mich dann doch fertig und zusammen mit den anderen beiden fahren wir zum Einsatzort. Das Mittagessen ist natürlich kalt, doch warm war es bestimmt lecker. Aber es sind auch noch Brötchen, Kaffee und Obst da. Es hätte um einiges schlechter sein können und wäre dann immer noch in Ordnung. Viel zu tun gibt es nicht. Seit dem wir mit dem Aufbau fertig sind, steht unser fast leerer MLW4 mehr oder weniger ungenutzt herum und könnte doch eigentlich für Transportaufgaben (Sandsäcke etc.) genutzt werden. Die Jungs (und Mädels) von der Feuerwehr haben irgendwann in den Morgenstunden ihre Pumpe bereits wieder abgebaut, so daß wir wieder alleine sind. Gespannt schauen wir immer wieder auf die Pegelmeßlatten, die wir anfangs gesetzt hatten, aber es tut sich rein gar nichts. Zweckoptimismus macht sich breit: Immerhin steigt der Pegel auch nicht.
Kurz vor meinem Eintreffen rückte die Feuerwehr aus Vockerode an und installierte ihre Pumpe. Ein Viertonnenmonster mit eigenem Aggregat für das extra ein Schlepper mit Frontlader kommen mußte, um das Ding zu versenken. Die Schläuche lassen unseren F-Schlauch wie Spielzeug aussehen und dürften an die 30 cm Durchmesser haben.
Kaum läuft das Ding ein paar Stunden, senkt sich der Pegel im Kanal deutlich - und das, obwohl es den ganzen Tag über immer wieder regnet und nieselt. Für die Moral der Truppe - vor allem auf Seiten der Führung - ist das nicht gerade optimal. Ist man doch eigentlich so stolz auf die eigene Leistungsfähigkeit. Egal denke ich mir: Wer kann, der kann und ist doch gut, wenn es hier jetzt so deutlich voran geht. Dann freuen sich die Anwohner und wir sind frei für neue Aufgaben.
Praktisch, daß das Stromaggregat permanent läuft, denn so können die verschwitzten oder vom Niedelregen klammen Shirts und Jacken immer wieder in der Abluft getrocknet werden. Der Dieselgeruch, den die Klamotten dabei annehmen, stört nicht weiter.
Abends und nachts wird dann immer mehr zwischen den Führungskräften getuschelt, Politik gemacht und auf den Pegelstand geschielt. Aus irgendeinem Grund läuft unsere große Pumpe dann stundenlang nur noch mit minimaler Drehzahl/Förderleistung und auch bei den kleineren Modellen werden einige abgeschaltet. Angeblich, um den Pegel nicht so weit abzusenken, daß die Pumpe der Feuerwehr trocken liegt - wobei wir davon noch ein ganzes Stück entfernt sind. Beim Getuschel geht es wieder mal um Wittenberge. Daß ein Fachberater von uns jetzt dort ist, daß die nicht glücklich sein werden, wenn wir nicht kommen und daß man sich hier doch eigentlich ganz wohl fühlt und es an einem neuen Einsatzort viel schlechter sein kann. Mich beschleicht das Gefühl, daß unsere Leute nicht ernsthaft fertig werden wollen. Je länger sie hier bleiben, desto wahrscheinlicher seien die Chancen, gleich nach Wittenberge verlegt zu werden und nicht etappenweise flußabwärts ziehen zu müssen. Behagen tut mir diese von mir vermutete Einstellung, nicht wirklich aber ich weiß ja offiziell gar nicht über die wahren Hintergründe Bescheid und ändern könnte ich auch nichts. Während sich die Tagschichten zurückziehen, schlage ich mir die Nacht mit Fernsehen und lesen um die Ohren. Bei der Gelegenheit kann ich auch mal all die Einwegplastikflaschen sammeln, die in den letzten Tagen überall angefallen sind.

Montag
Die Meldung des Tages lautet: eine THW-Einheit wird kommen und neben der Autobahn Wasser abpumpen und in "unseren" Graben leiten. Die Führungsriege schlägt sich frohlachend auf die Schulter und prahlt damit, was für echte Kerle sie seien, weil sie bei der Einsatzbesprechung durchgesetzt hätten, daß die Autobahn deshalb in der Baustelle über unserem Einsatzort gesperrt wird. Es soll einen riesigen Stau geben und der Ortsvorsteher ist auch schon gespannt und wird zu Hause Nachrichten und den Verkehrsbericht abhören, um mitzubekommen, was bei uns so (nicht) läuft. Wie sich herausstellt, wird dann doch nur eine Spur gesperrt und eine bleibt frei. In brütender Hitze laden die Kameraden ihre Schläuche ab und bauen die Strecke auf. Unsere große Aufgabe besteht darin, den Auslauf in den Graben zu befestigen. Irgendwie schaffen wir es, damit mehr als eine Stunde beschäftigt zu sein.
Jetzt wo wieder mehr Wasser ankommt, läuft die große Pumpe wieder deutlich schneller. Auch wenn die anderen noch immer abgeschaltet bleiben. In der Zwischenzeit sinkt der Pegel im Polder deutlich durch natürlichen Abfluß und es wird klar, wie die Fläche, die gestern noch wie ein See aussah, von Feldern und einem Weg durchzogen wird.

Die Nacht kommt und die Tagesschichten genießen ihr Feierabendbier bzw. testen, ob auch in ihnen ein echter Captain steckt. Ich zähle die Stunden und halte mich mit Internetsurfen (ich bestelle einen Versand-Blumensttrauß für meine Tochter), spazieren gehen, lauwarmen Kaffee und lesen wach.

Dienstag
Ich liege erst ein paar Stunden im Bett, als heftig an die Tür gepoltert wird: Aufstehen, es geht los! Wir sind hier fertig und müssen abbauen. Also schlaftrunken zum Ort des Geschehens und das Material aus der eklig braunen Brühe ziehen und verlasten. Aufgrund der nicht zu vermeidenden Leckagen ist der Boden aufgeweicht und ein Lkw fährt sich fest. Wer, wenn nicht wir, kann das lösen? Also mit Ketten und zweitem Lkw schnell ein wenig ziehen und alles ist bereit. In der Pension gehen wir noch mal duschen, packen unsere Sachen und bringen noch schnell die Bierzeltgarnituren zur Feuerwehr zurück. Mit Kuchen zum Abschied hatten wir ja schon gerechnet. Aber es wird uns ein großes Tablett mit frischen Waffeln in die Hand gedrückt und eine gute Fahrt gewünscht. Das wir jetzt keinen weiteren Auftrag haben, sondern zurück zum Ortsverband fahren, behalten wir wohl lieber für uns. Am frühen Abend sind wir dann wieder daheim und warten auf den nächsten Auftrag.

Freitag (Nachtrag v. 17.6.13)
Wieder eine Alarm-SMS. Nach dem Eintreffen im Ortsverbad stellt sich aber heraus, daß wir nicht selber ausfahren, sondern ein Hubschrauber (Transporthubschrauber AS 332 L1 Super Puma) der Bundespolizei auf dem Hof landen wird, um Material mitzunehmen. Die Verantwortlichen wirken etwas überdreht angesichts dieser nicht alltäglichen Aktion. Nach anfänglichen Schwierigkeiten, uns zu finden (er landete wohl zuerst im Stadtgebiet, was angesichts von GPS in fast jedem Handy schon irgendwie peinlich ist, immerhin sollte es doch möglich sein, unsere genauen Koordinaten zu nennen), landet die Crew dann doch bei uns. Also verladen wir fünf mobile Elektrotauchpumpen und ca. 40 Schläuche. Jetzt steht uns im Grunde nur noch die große Pumpe zur Verfügung, sollten wir doch noch für Hilfeleistungen angefordert werden. Wann und ob wir das ausgeflogene Material wiedersehen, ist ungewiß. Wahrscheinlich wird es im Eifer des Einsatzes "verloren" gehen.


Freitag, 14. Juni 2013

Das gesammelte Wissen stirbt, es lebe CC-by-sa-3.0

Der Brockhaus (genaugenommen die Brockhaus Enzyklopädie) ist in meinem Kopf (sicher auch aufgrund meiner bibliophilen Eltern) das (kostspielige) Standardwerk wenn's um gesammeltes Wissen zum Nachschlagen geht. In edlem Leder gebunden, mit Goldschnitt und auf fast zwei Metern so schwer, daß sich jeder Billyregalboden ächzend durchbiegt.
Quelle: http://www.brockhaus.de/buecher/erwachsene/brockhaus_enzyklopaedie/index.php

Nun kündigt der Verlag an, das gedruckte Werk einzustellen. Auch wenn ich in den letzten Jahren nicht einmal mehr in ein gedrucktes Lexikon geschaut habe und mein 24-bändiges Taschenbuchwerk längst bei meiner Tochter im Zimmer Staub ansetzt, so erfaßt mich ein kurzer Moment der Schwermut angesichts des Verlustes. Aber der Lauf der Zeit läßt sich wohl nicht aufhalten. Wikipedia ist aktueller, schneller zu bedienen, fast stets verfügbar und enthält mehr als fünfmal so viele Stichworte und die Verlinkung untereinander ist unschlagbar praktisch.
Filme, die in staubigen Bibliotheken spielen und bei denen der alte Bibliothekar unserer Achtung genießt, gibt es einige. Nerds am Computer in einem Rechenzentrum versprühen weniger Charme. Bleibt zu hoffen, daß wir stets einen Internetzugang haben werden und unsere digitale Hinterlassenschaft nicht irgendwann gelöscht wird.
Bleibt auch zu hoffen, daß die Gemeinschaft der uneigennützigen Helfer nicht ausstirbt und der Inhalt im Web gepflegt wird.

Guter Geschmack: nebensächlich

Tüten von Maggi und Knorr bestimmen in vielen Hauhalten unseren heutigen Speiseplan. Sie sind einfach in der Anwendung und im Gegensatz zu Omas Rezeptbuch sind die meisten Zutaten schon drin und es wird nur wenig zusätzliches benötigt. Das was man braucht, kann man gleich mitkaufen, denn die Tüte ersetzt quasi den Einkaufszettel. Klar: Es ist nicht so lecker wie bei Oma und bestimmt auch weniger Gesund dank der vielen Zusatzstoffe, Hilfsmittel, Zucker und Co.
Zutatenliste, Quelle: Verpackung Knorr Schweinebraten Provence
Praktisch sind auch die neueren Tüten bei denen der Ofenbeutel gleich dabei ist. So spart man sich den Kauf selbiger separat und hat auch noch das Gefühl, richtig zu kochen, denn das Gargut braucht meistens mehr als eine Stunde im Ofen und ist nicht nach 5 Minuten auf dem Tisch und es wird sogar noch etwas frisches Gemüse als Alibi hinein gegeben.

Was ist aber nun wichtig bei so einer Tüte? Nicht etwa der Geschmack oder die Gesundheit. Nein: Daß der Ofen sauber bleibt, das ist das Beste:
Quelle: Verpackung Knorr Schweinebraten Provence
Wenn Knorr schon so wenig von seinem eigenen Lebensmittelprodukt überzeugt ist, sollten sie vielleicht lieber auf die Herstellung von Haushaltsfolienbeutel umsatteln.

Guten Appetit!

Mittwoch, 29. Mai 2013

Netto: ich bin doch blöd!

Und wieder eine neue App: Die NettoApp (oder besser: der "NettoNepp"?).

Quelle: http://www.androidpit.de/de/android/market/apps/app/com.valuephone.vpnetto/NettoApp
Im Gegensatz zu vielen überflüssigen Apps, mal eine, die wirklich einen Mehrwert auf das Smartphone bringt. Fragt sich nur, für wen? (Un-) Sinn der App ist es, beim Discounter bargeldlos zu bezahlen. Also an der Kasse stehen, sich einen Code aufs Handy senden lassen und diesen dann zu nennen. Ob das nicht auch per SMS ginge? Aber vielleicht geht es gar nicht darum? Wieso macht so ein Discounter so etwas? Es kostet Geld die App zu entwickeln, Werbung für zu machen, dämliche Kundenanfragen zu betreuen, Inkasso zu betreiben und die Kassensystem umzustellen. Mal abgesehen von den Kommunikationskosten etc. Und das bei einem Billigdiscounter, der am unteren Ende der Preise kalkuliert. Wieso also? Nun, daß sollte man sich auch bei Payback fragen. Oder anderen Pseudo-Rabattsystemen. Es geht nicht darum, dem Kunden was gutes zu tun. Es geht nur darum, mehr Profit zu machen. Der Edeka Gruppe geht es nicht um Corporate Social Responsibility - es geht ums Geld. Das Geld des Kunden. Ihr Geld. Unkritische Kunden machen die Spielchen mit und zücken fleißig ihre Paybackkarte in der Illusion, ein paar Cent zu sammeln. In der Zwischenzeit sammelt der Anbieter eine Unmenge an wertvollen Daten. Was wer wann und wo eingekauft hat. Zusammen mit anderen Daten lassen sich daraus Profile erstellen und diese können in wachsenden Umsatz verwandelt werden. Der Kunde denkt sich wie immer, daß er ja nichts zu verheimlichen hat und ihm stehen die Dollarzeichen in den Augen angesichts lächerlicher Rabatte im Gegenwert von sonst teuer zu kaufenden Daten. Und die App? Auch die hilft dem Betreiber, Kunden und Einkäufe zu verknüpfen. Fragt sich nur noch, warum die App dann auf einem Smartphone Zugriffsrechte auf die Kamera und auf die Ortungsfunktion benötigt? Für die Kamera fällt mir nicht einmal ein Einsatzzweck ein. Vermutlich läßt man sich die Rechte einfach bei der Installation gewähren, damit man später damit noch irgendwas unseriöses machen kann und den Anwender nicht noch mal um Erlaubnis fragen muß. Zum Beispiel Fotos davon, wie er gerade das neue Klopapier nutzt? Für die Ortungsfunktion (GPS und netzwerkbasiert) ist die Anwendung klar: Solange die App läuft (und wer beendet eine App schon? die kann stundenlang im Hintergrund weiterlaufen nach dem Bezahlvorgang) weiß der Hersteller, wo sich der Nutzer gerade aufhält. Perfekt: Jetzt steht in der Datenbank nicht nur wer was eingekauft hat, sondern kennt auch noch das Bewegungsprofil und kann so zum Beispiel Aussagen darüber treffen, welche Discounter vor oder nach Netto/Edeka besucht wurden. Aber nein, das würde ja niemand interessieren und der Betreiber hat nur die Vorteile des Kunden im Kopf. Wenn ich doch nur wüßte, welche das sein sollen? Edeka wird vermutlich darauf hinweisen, daß ich so keinen Gutschein mehr verpasse und Gutscheinrabatte automatisch berücksichtigt werden. Vergiß Datenschutz: Auf zum Erlebnisshopping.
Quelle: https://play.google.com/store/apps/developer?id=valuephone#?t=W251bGwsbnVsbCxudWxsLDEwMiwiY29tLnZhbHVlcGhvbmUudnBlZGVrYSJd
In der NettoApp warten jede Woche u.a. zahlreiche Coupons auf Sie. Damit wird Ihr Einkauf bei Netto noch günstiger. Die integrierte Filialsuche, Einkaufsliste oder Scanner-Funktion erleichtern Ihnen die Einkaufsplanung und machen den Einkauf bei Netto zum Erlebnis.
Quelle: Netto, http://www.netto-online.de/NettoApp-NEU.chtm

Donnerstag, 25. April 2013

Kinderspielplatz

Es ist halb sechs Uhr morgens. Enervierendes gekläffe, gejaule und gebelle dringt durch den Halbschlaf an mein Ohr. Dabei sind die Fenster geschlossen. Es ist leider kein Einzelfall in dieser Gegend. Andauern bellt irgendwo eine Töle. Beim Joggen oder Autoparken, bellt es einem aus dem Gebüsch entgegen, so daß man jedesmal kurz vor dem Herzinfarkt steht. Tagsüber dann halbstundenlang ohne Pause. Auf jedem Spielplatz werden Kinder und die Ruhezeiten reglementiert aber gegen den Hundelärm unternimmt keiner was.
Also rufe ich kurz nach 8 Uhr mal beim Ordnungsamt an. Die sollten doch dafür zuständig sein. Nach kurzer Schilderung dann ein kurzes Rechnen beim Gegenüber: Ja so gegen Dienstag können wir uns die Sache mal ansehen. Wie bitte? Heute ist Donnerstag. Warum denn erst in vier Tagen? Na das geht nach Priorität und die Fälle müssen in der Reihenfolge abgearbeitet werden. Ich hätte nicht gedacht, daß ich in einer solchen Metropole wohne, wo die mindestens 12 Mitarbeiter des Amtes (lt. Webseite) so mit Arbeit überhäuft sind. Aber es ist sicherlich einfacher, Falschparker aufzuschreiben ("Überwachung ruhender Verkehr" wie sich das dann so schön als Aufgabenbeschreibung für die Mitarbeiter nennt). Immerhin bringt das direkt Geld in die Kasse und ist rechtlich einfach zu begründen, denn wer falsch parkt, ist selber Schuld und handelt gegen das Gesetz. Einfache Logik.

Samstag, 20. April 2013

Junges Holozän

Heute findet irgendwo in meinem "Dorf" ('tschuldigung lieber Ureinwohner: Stadt, aber es gelingt euch leider immer wieder, diesen Status zu widerlegen) und Umgebung eine Motorrallye statt. Ganz klangvoll, wenig phantasievoll und inflationär muß der Lokalpatriot, der sich seinerzeit allerdings aus Ermangelung des Automobils zu Fuß aufmachte, die Gegend zu erkunden, auch hier mal wieder als Namensgeber herhalten.
Mehr durch Zufall habe ich vor einigen Wochen von diesem Ereignis erfahren. Nicht etwa durch die Werbung des Veranstalter, sondern durch die negativen Schlagzeilen in der Presse, als es darum ging, daß die freiwilligen Feuerwehren sich nicht kostenlos für eine kommerzielle Veranstaltung vor den "Karren" spannen lassen wollen.
Nun gut, es ist Wochenende, die Sonne scheint und ich will mir Benzingeruch um die Nase wehen lassen. Stellt sich also die Frage, wann und wo ich die beste Aussicht auf das Renngeschehen habe. Also mal schnell die Veranstaltungskalender der regionalen Zeitungen konsultiert. Nichts. Gar nichts. Gutes Marketing. Also per Google den Veranstalter und dessen Homepage gefunden. Zuschauerinfos... "Alle Informationen zu den Zuschauerpunkten erhalten sie im Programmheft, das im Rallyezentrum Sportcenter [...] und an den Wertungsprüfungen ausliegt".
Klar, wir leben im Informationszeitalter. Da setze ich mich erst ins Auto, fahre durch das Dorf (Sorry: die Stadt) und hole mir so einen Flyer. Und das in einem Kuhkaff, in dem die Einwohner schon eine Wohnsiedlung, die knapp 1 Kilometer vom unmittelbaren Stadtzentrum entfernt aber weit innerhalb der Stadtgrenzen liegt, als weit entfernt, Randgebiet oder gar Außerhalb bezeichnen und bei einer 10 minütigen Fahrt von einem Ende der Stadt zum anderen über den weiten Weg stöhnen. Als (Ex-) Berliner habe ich da vielleicht eine andere Vorstellung von Entfernungen und zumutbaren Wegen im Alltag. Wieso wird diese Info nicht auf der Webseite des Veranstalters veröffentlicht? Ein PDF ist eine feine Sache. Oder soll ich gezwungen werden zum Sportcenter zu fahren, um so den Sponsor kennenzulernen (als ob irgendeiner im Umkreis von 10 Kilometern das Ding nicht kennen würde). Oder will der Veranstalter am Ende gar keine Zuschauer?
Es wäre ja auch nicht so frustrierend, wenn es sich um einen Einzelfall handeln würde. Aber irgendwie kommen die Organisatoren von Veranstaltungen hier alle aus dem Mustopf. Egal, um was es sich handelt: Keine Infos in der Presse, keine Infos am Straßenrand, keine Öffentlichkeitsarbeit, keine Infos im Internet. Die einzigen, die es richtig machen, sind die Discos: Massenhaft bunte Plakate an Laternen. Wenn die Stadt zum Maifest einlädt, hängt sie auch solche A2-großen Plakate auf. Von Profidesigner für teures Geld entworfen. So mit uninteressanten und nebensächlichen Informationen überfrachtet, daß ich im vorbeifahren die wesentlichen Fakten nicht einmal erkennen kann. Wenn die Dinger nur von Fußgängern entziffert werden können, dann braucht man sie auch nicht zur Straße gedreht aufzuhängen.
Heute findet auch das Bullenderby statt. Ein lustiges Seifenkistenrennen. Wir haben zwar keine Berge in der Mark, aber es geht schon. Eigentlich eine schöne Veranstaltung. Besucher, die nicht auch zu den Teilnehmern gehören, gibt es nur wenige. Warum wohl? Genau: Ich weiß nämlich weder wo, noch wann es stattfindet. In der Presse stand etwas. Aber nicht jeder liest die Zeitung (online). Der Veranstalter selbst hat eine Webseite. Google findet auch etwas. Im Google cache sieht das so aus:
Beim Veranstalter auf dessen Homepage sehe ich dann dies:
http://www.estaruppin.de/projekte/jugendsozialarbeit/lindow/bullenderby
Auf der Homepage des anderen Mitveranstalters, kennt man das Ereignis erst gar nicht. Auch wenn man sich laut einem Flyer, der beim Deutschen Roten Kreuz (warum auch immer der dort angeboten wird) von Google gefunden wird, bei denen anmelden soll, möchte man aktiv mitmachen. Sehr informativ alles. Ich werde sicher mal vorbeischauen oder gar teilnehmen.
Ich frage mich, wieviele eigentlich sehenswerte Veranstaltungen an diesem Wochenende noch stattfinden, von denen ich gar nichts weiß und von denen ich dann vielleicht am Montag retrospektiv etwas lesen kann. Viel kann es nicht sein. Immerhin meldet die Webseite der Stadtverwaltung und die des Tourismusbüros der Region bei einer Veranstaltungabfrage, daß keinerlei Veranstaltungen für dieses Wochenende gefunden wurden (mal abgesehen von Dauerausstellungen). Gut, daß diese Information durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) gefördert wurde. Das die Veranstaltungen zu klein sind, unbedeutend oder nicht von öffentlichem Interesse oder nicht durch Stadt und Land gefördert, dürfte nicht der Grund für die Leere des Kalenders sein. Auch das von der Stadt mitveranstaltete (bereits erwähnte) Maifest kennt der gleiche (von der Stadtverwaltung betriebene) Kalender nicht:
http://www.neuruppin.de/kultur-tourismus/tourismus/veranstaltungs-kalender.html
 Gut, daß es wenigstens eine Pressemitteilung und eine Einladung gibt:
http://www.neuruppin.de/verwaltung-politik/veroeffentlichungen/presse/pressemitteilungen/pressemitteilungen-detail/article/03-05052013-einladung-zum-mai-und-hafenfest-neuruppin.html
Wieviele Gäste und Touristen diesen Text wohl finden werden? Aber vielleicht will man ja auch gar nicht mehr Besucher begrüßen, als ohnehin kommen. Immerhin hat man gerade erst den Eintritt aus irgendwelchen Gründen erhöht. Man stelle sich nur vor, man würde den Eintritt senken, Werbung machen und auf Grund der stark steigenden Gästezahlen unterm Strich doch mehr Umsatz machen. Wäre doch für eine Behörde/ein aus öffentlichen Mitteln finanziertes Marketingunternehmen/eine Verwaltung ein völlig neues Konzept, mit dem vergreiste und in ihren Handlungen festgefahrene Betonköpfe nicht zurechtkommen können. Ach ja: Der Marketingfirma (dürfte wohl die stadteigene sein, wie sonst könnte man immer wieder ein so schlechtes Marketing betreiben und doch fest im Sattel sitzen?) würde ich gleich die Leviten lesen: Wie kann man in einem PDF den ganzen Text als Grafik einbinden? Das ist nicht nur unleserlich, es läßt sich auch nicht skalieren und kostet unnötig Speicherplatz. Weiterhin ist es nicht barrierefrei, was grob unhöflich und diskriminierend ist und auch nicht für die Traditionen einer Stadt spricht, die sich doch so gerne mit den Federn verstorbener Schriftsteller schmückt. Fontane hätte bestimmt keine Bilder von seinen Texten veröffentlicht, gäbe es damals schon diese Techniken. So gewinnt man weder einen Blumentopf noch spricht man seine Gäste positiv an.

"Alle" reden von Facebook, Twitter, SMS und Informationsüberangebot. Kaum ein Schritt, den die junge und mittlere Altersgruppe ohne ihr Handy und eine Kurznachricht an alle Freunde macht. Lauter belangloses Zeug. Aber interessante Fakten kommen gar nicht erst ins Netz.
Vor einigen Tagen stand in der Zeitung was über eine Seniorengruppe, die in an einem Computerkurs teilnimmt. Das interessierte mich. Natürlich gab es keine Webadresse zum Veranstalter aber GidF und schon war ich beim Internettreff Matrixx:
http://www.stattwerke.de/Homepage_MME/Matrixx.htm
Wow, was für eine grottenschlechte Seite für ein Internet-Netzwerktreff. Ich wüßte ja auch gerne, wo sie denn geöffnet haben, wenn ich nicht gleich von der  Seite abgeschreckt wäre. OK, ich bin fit im Internet (mich müssen und werden die wohl nicht als Kunden gewinnen). Also einfach mal die URI einkürzen und manuell zur Startseite kommen. Aber auch da finde ich außer belanglosen Marketingsprüchen keine Infos. Der Seniorenclub ist angeblich nicht einmal in meiner Stadt. Gut, daß Google Seiten findet, die der Betreiber nicht einmal selber zu kennen scheint (zumindest kommt man von dessen Webseiten nicht per Link dort hin). Aber mehr als wieder einen inhaltsleeren Text finde ich so auch nicht. Erstaunlich, wie die sechs Senioren, die sich laut Zeitungsbericht dort treffen, davon erfahren haben - Buschtrommeln?
Ein Blick auf die Webpräsenz der Freiwilligen Feuerwehr zeigt, daß deren aktuellste Meldung über ein Jahr alt ist. "Bilder folgen in den nächsten Tagen". Fragt sich, in welchen zeitlichen Dimension die so denken. Erdzeitgeschichtlich betrachtet, sind wir ja auch erst ein paar Sekunden existent. Was ist da schon ein Jahr? Hoffen wir, daß sie sich nicht ganz so viel Zeit lassen, wenn sie zu einem Einsatz gerufen werden. Freiwillige Helfer suchen sie wohl keine - scheint genügend zu geben. Auch das THW vor Ort bemüht sich nicht überschwänglich um Nachwuchs:
http://www.ov-neuruppin.thw.de/mitmachen.php?oesid=ORUP
Man bleibt wohl lieber unter sich oder existiert vielleicht auch gar nicht mehr, denn immerhin ist die letzte Ausbildung laut Terminseite auch schon mehr als ein Jahr her.
Die Gewerbetreibenden der Region nutzen auch jede Gelegenheit, mich als Kunde zu verlieren. Beispiele?
Gut, daß am linken Rand der Text Aktions-Angebote nervig blinkt. Hätte ich beinahe verpaßt. http://www.fleischerei-duelfer.de/angebote.php

Ich habe es gewagt, auf eins der leckeren Produktfotos am oberen Rand zu klicken (s. vorherigen Screenshot). http://www.fleischerei-duelfer.de/error.php?404

 
Wer die verwursteten Seiten (oben) produtziert hat? Mein Browser warnt mich zum Glück vor denen. 

Gut, daß die mir auch den Browser empfehlen, der mich vor ihnen warnt. http://www.arndt-webdesign.de/
Die IHK Potsdam gibt es nun auch in Neuruppin und verweist gleich auf eine Anwaltskanzlei (vermutlich, weil sie so viel klagen müssen, um ihre Zwangsmitgliedschaftbeiträge einzutreiben). Aber eigentlich sitzen die in Fehrbelliner Straße 138 und nicht hier. https://maps.google.de/maps?ll=52.927222,12.824306&spn=0.084856,0.222988&z=13&vpsrc=0
Wir haben Ende April. Weihnachten ist knapp vier Monate vorbei. Aber es kommt ja wieder, dann braucht man nur aus der 12 'ne 13 zu machen. http://www.villa-romantica-neuruppin.de/

Ist das ein regionales Marketingproblem? Ossi-Mentalität (nach dem Motto Werbung ist nicht notwendig, es gibt eh nichts zu kaufen und das was es gibt, kennen alle)? Oder einfach kein Interesse? Dabei kostet Werbung und Öffentlichkeitsarbeit vor allem im Internet kein oder nur wenig Geld und erreicht ein breites Publikum. Aber natürlich nur, wenn die Seiten gepflegt werden, aktuell sind und ansprechend seriös gestaltet sind. Ansonsten darf ich mich natürlich auch nicht wundern, wenn der Besucherzähler sich nicht dreht, weil kein Mensch mehr als zweimal sich zu einem verirrt, findet er doch sowieso keine Neuigkeiten.

Mal ein paar Hinweise:
  • Wer nicht wirbt, stirbt
  • 100 DIN A2 farbige Plakate kosten im Offsettdruck keine €40,-. 5 mm Sperrholzplatten sind für um die €7,-/m² zu erhalten. Aus einem Quadratmeter Holzplatte kann man vier Plakatflächen schneiden, die dann am Straßenrand aufgehangen werden können. Das Holz kann ich sogar nächstes mal wiederverwenden. Für 50 Plakate die ich im Landkreis verteile, kostet das dann gerade mal €90,- an Material (inkl. Leim und Bindedraht).
  • Beim Ordnungsamt muß die Anbringung genehmigt werden. Pro Plakat und Tag werden laut Sondernutzungsgebührensatzung €0,12/Plakat fällig. 14 Tage kosten die 50 Plakate also €84,-. Die Gebühr kann theoretisch sogar vom Amt erlassen werden.
  • Ein hochwertiges 2 x 1 Meter großes Werbeplakat aus PVC-Plane kostet weniger als €30,-
  • Eine Bratwurst kostet im EK um die €0,50. Für €1,50 geht sie über den Tresen. Bleibt also ein Gewinn von etwa 70 Cent netto. Nach dem Verkauf von 277 Stück wären die Werbekosten für die Plakataktion (€194,-) also wieder drin. Nimmt man noch Bier und Softdrinks mit in die Rechnung geht's schneller.
  • Eine einfache Internetpräsenz kostet keine €5,- im Monat. Da ist dann auch schon ein einfaches (aber funktionierendes) Design dabei und ein CMS, bei dem man nur noch seine Daten bequem vom Browser aus eingeben kann - ganz ohne Fachkenntnisse. Aktuell halten, muß man es aber selber. Ist ein Aufwand von wenigen Minuten pro Monat. Dafür kann man dann aktuelle Infos schnell bereitstellen (Öffnungszeiten, Adresse, Kontakt, Krankheitsausfall) Aktionen und Produkte bewerben und wird von Google & Co. gefunden. Und wer gefunden wird, wird auch besucht und macht Umsatz.
  • Jede Zeitungsredaktion lebt davon, über Events zu berichten. Also rechtzeitig denen eine Presseinformation per Fax zustellen. Ansprechpartner benennen und vor allem: alle für Besucher wichtigen Infos angeben und nicht im eigenen Selbstlob suhlen.
  • Bei den ganzen Veranstaltungskalendern muß man sich melden. Die kommen nicht auf einen zu und betteln um Infos. Dafür ist der Eintrag kostenlos und in der breiten Fläche wirksam. Es gibt auch noch gedruckte Veranstaltungskalender mit Tradition. Auch wenn das lokale Projekt traurigerweise wohl nach kurzer Zeit schon wieder gestorben ist. Vermutlich, weil kein Veranstalter sich bei denen gemeldet hat.

Nachtrag:
Zufällig kam ich dann doch beim Sportcenter vorbei. Flyer fand ich nicht so schnell. Also einen der Organisatoren angesprochen. Der teilte mir mit, daß aus dem Programm so ein Geheimnis gemacht wird, weil sonst die Teilnehmer zu viel trainieren würden. Klar, wenn ich erfahre, wo ich als Zuschauer wann stehen sollte, kennen die Fahrer gleich die ganze Strecke. Und wann sie losfahren sollen, erfahren sie sicher auch erst kurz zuvor. Aber im Rennbüro, da würde ich die Infos bekommen. Das Büro ist drinne, hinten durch, dann rechts, durch den langen Gang, links, rechts, am Ende. Eins-fünfzig soll ich dann noch dafür bezahlen. Und tschüß! Meine Tochter drückt derweil meine Hand ganz doll. Als Zeichen dafür, daß ich ihr peinlich bin, wenn ich gleich ausfallend werden sollte und ich mich zusammenreißen möge. Wieso soll ich dafür bezahlen, daß ich erfahre, wo ich als Zuschauer einen guten Platz habe? Finanziert das den Sport? Wahrscheinlich handelt es sich bei einer Motorrennveranstaltung um ein soziales Projekt finanziell schwachgestellter Mitbürger. Ich frage mich, ob ich als Sponsor nicht vielleicht etwas enttäuscht bin, wenn am Streckenrand zwar meine Plakatwerbung steht, aber kein Zuschauer mangels Anwesenheit sie sieht. Oder wieviel Umsatz man mit Bratwurst und Bier bei dem schönen Wetter machen könnte - vorausgesetzt es ist jemand da, der den Weg zum Zuschauerpunkt gefunden hat.

Nachtrag II (24.4.13):
Die Stadtverordneten stimmten darüber ab, ob sie die Bürger nicht über Neuigkeiten und Veranstaltungstermine per Twitter informieren wollen. Gute Idee: Ich werde mich anmelden. Da kann ich sicher sein, nie eine Nachricht zu bekommen.

Nachtrag III (30.10.13):
In wenigen Tagen findet mal wieder der Martinimarkt statt. Als Neuruppiner kommt man nicht umhin, davon Kenntnis zu erlangen. An der Werbung kann es aber nicht liegen. Nirgends in der Stadt sind Plakate zu sehen, kein Terminkalender kennt das Fest und nennt Details wie zum Beispiel Eröffnungsveranstaltung, Öffnungszeiten, Parkplatzmöglichkeiten (gerade beim herrschenden Baustellenchaos sinnvoll). Und obwohl der Markt angeblich eine überregionale Bedeutung hat ("von Berlin bis Ostsee"), sieht die Werbung in anderen Städten wie Wittstock, Kyritz, Oranienburg oder gar Berlin genau so dürftig aus. Der Gipfel der traurigen Negativbeispiele stellt die Stadtseite im Web dar: Seit Wochen gibt es eine mickrige Presseerklärung auf der "Details zum Martinimarkt in den nächsten Tagen" folgen sollen.
http://www.neuruppin.de/verwaltung-politik/veroeffentlichungen/presse/pressemitteilungen/pressemitteilungen-detail/article/3110-10112013-einladung-zum-358-neuruppiner-martinimarkt.html

Die Tage sind tatenlos verstrichen. Wen wundert's da, daß der Veranstaltungskalender auf der gleichen Seite mit noch weniger Informationsgehalt daherkommt. Der Chef des Stadtmarketings Bubl schwelgt derweil selbstverliebt in Ausschweifungen zum Flair des Marktes und begründet den verhinderten Wachstum, trotz Nachfrage seitens der Schausteller, mit fehlender Kaufkraft in der Region. Wenn man die kaufkräftige Umgebung der armen Region nicht ins Boot holt, mag das sein. Als Schausteller würde ich mich ärgern, denn immerhin zahlen die Standmiete und die sollte auch fürs Marketing genutzt werden. In der Abendschau des rbb wird bei Ausflugstips fürs Wochenende der Markt ebenso wenig erwähnt, wie im Videotext.
Immerhin gibt es jetzt bei der Presseerklärung auch einen Flyer zu bestaunen. Mal wieder als Grafik. Unleserlich, nicht skalierbar, nicht barrierefrei - unmöglich.
http://www.neuruppin.de/fileadmin/dateien/bilder/Pressemitteilungen/Martinimarkt_Flyer_2013.jpg
Am Straßenrand tauchen dann doch noch Plakate auf: Langweilige Gestaltung, deprimierende Farben, unterbelichtete Amateurfotos und ohne viel nützlichen Inhalt:
Auf der angegebenen Webseite findet man nicht wirklich Infos zum Markt. Fragt sich also, ist das mit städtischen Geldern finanzierte (Schleich-) Werbung für eine GmbH, die Veranstaltung oder das (unausgegorene) Stadtmarketing?
So reiht sich auch diese Veranstaltung in eine blamable Reihe von schlecht vermarkteten Events in der möchtegern Kulturstadt.