Samstag, 30. Juni 2012

Bildungslücken

Mal was erfreuliches: Google entzückt immer wieder mit lustigen Designs für ihr Logo ("Doodle" im Fachjargon genannt) - passend zu diversen Anlässen. Manchmal sind diese auch animiert und dann wirklich geeignet, Bildungslücken auf ganz unaufdringliche Weise zu schließen. Es erfreut mich dann sogar noch mehr, wenn ich dabei auf Themen treffe, von denen ich denke, dass sich dafür kaum einer interessiert und Dank Doodle nun Millionen Leute inspiriert werden, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen.

Wer kennt nicht die Frage (auch von Kindern), ob ein Pferd im Galopp zu irgendeinem Zeitpunkt alle vier Hufe in der Luft hat. Wer aber weiß, wie die Frage beantwortet wurde und womit?

Sind Sie schon älter als 30? Dann kennen Sie Pac-Man noch "in echt". Es wird Zeit, sich mal wieder was auf die Ohren zu geben und den Kampf gegen die Verfolger etc. anzutreten. 256 Level warten!

Wer Musik mag, kann sich an einer Elektrogitarre austoben und sogar den Song speichern und weitergeben. Wer noch nie was von einer Moog gehört hat, der kann nun mal ausprobieren, wie viele Klänge man aus einer mehr oder weniger simplen Schwingung erzeugen kann.

Der neuste Geniestreich widmet sich einem wirklich abstrakten Thema: der Turingmaschine. Sie wissen nicht, was das ist? Nun, im Grunde sitzen Sie gerade vor dem Nachfolger. Drücken Sie auf Play und programmieren Sie die Anweisungsfolge so, daß auf dem Speicherband der rechts oben gezeigte Code entsteht. Dieser entspricht den ASCII-Buchstaben für das Wort "Google". Ihnen stehen folgende Operatoren zur Verfügung:
  • Ändere den Wert an der aktuellen Position in 0/1/(Leer)
  • Gehe eine Position nach Links/Rechts. Dazu wird das Speicherband in die gegenläufige Richtung bewegt.
  • Vergleich mit 1/0/Leer. Wenn Vergleich wahr, dann folge den alternativen Befehlen
  • Schleife. Springe an die markierte Stelle zurück.
 

Dienstag, 12. Juni 2012

Darf ich oder darf ich nicht?

Der zweitschwachsinnigste Text im Internet nimmt in emails immer mehr Verbreitung. Zuerst einmal der überflüssigste (ist nicht steigerbar, ich weiß):
Mit dem Urteil vom 12. September 1998 - 312 0 58/98 - „Haftung für Links“ hat das Landgericht Hamburg entschieden, dass man durch die Anbringung eines Links die Inhalte der gelinkten Seiten ggf. mit zu verantworten hat. Dieses kann - so das Landgericht - nur dadurch verhindert werden, indem man sich ausdrücklich von diesen Inhalten distanziert. Hiermit distanziere ich mich ausdrücklich von allen Inhalten der von mir verlinkten Seiten.
Wer hat den Satz nicht schon mal auf einer Webseite gelesen.  Wie im Internet üblich, wird einfach alles blind kopiert- cut and paste macht's möglich. Daß es bei dem "Hamburger Urteil" um etwas anderes geht, scheint kaum einer zu bemerken. Das ist nicht neu und wer will, findet auch zahlreiche Texte im Web, die sich über die falsch informierten Webmaster mehr oder weniger lustig machen.

Auch nicht ganz neu ist der zweite unnütze Text:
Diese E-Mail beinhaltet Informationen, die vertraulich oder nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sein könnten. Sollten Sie nicht der designierte Empfänger sein, ist das Lesen, Kopieren, Weiterleiten sowie anderweitiger Gebrauch des Inhalts dieser E-Mail untersagt. Sie werden gebeten, diese E-Mail unverzüglich zu löschen.
Das befindet sich am Ende der email. Also habe ich die mail schon sehr ausführlich lesen müssen, um bis hierhin zu gelangen.  Aber mal abgesehen davon, daß die Stelle falsch gewählt ist (wenn, müßte der Text am Anfang stehen), kann ich ja gar nicht richtig reagieren und die mail löschen, denn es ist mir ja verboten, die mail und damit die Löschanweisung zu lesen, sollte ich nicht der richtige Empfänger sein. Sollte ich sie löschen, gestehe ich ja ein, sie gelesen zu haben - fast schon ein Schuldeingeständnis. Also ist die mail auf Ewig dazu verdammt, meinen Posteingang zu verstopfen. Zumal mir ja der anderweitige Gebrauch der mail auch Untersagt ist. Also ist auch das geforderte Löschen untersagt. Zumal (auch wenn das noch immer viele Leute nicht wissen) beim Löschen die mail kopiert wird (nämlich in den Papierkorb - mal abgesehen davon, was alles im Dateisystem damit passiert) und das ist ja auch verboten worden.
Anstatt sich mit derartigen, vermutlich durch blödsinnige US-amerikanische Gesetzesauslegungen  inspirierte ("Vorsicht, Kaffee ist heiß") Texte zu blamieren, sollten die Firmen viel lieber mal die gesetzlich vorgeschriebenen Angaben zum Impressum in ihre email aufnehmen. Diese fehlen nämlich noch immer oft (so auch bei UPS, von denen obiges exemplarische Zitat stammt).

Sonntag, 10. Juni 2012

Kreisende Geier

Kennen Sie noch Fahrkartenschalter? Früher gab es die an jeder U-Bahnstation und jedem (Fernreise-) Bahnhof. Heute zockt die DB jeden Fahrgast mit einer Bearbeitungs-/Beratungs-/Servicegebühr von bis zu fünf Euro ab, wenn man am Schalter sein Ticket holen will und die Verkaufsbuden sind verwaist. Heute sind viele der Kartenverkäufer wohl arbeitslos, denn die Bahn hat es geschafft, Kunden zu vergraulen, die nicht Online kaufen können/wollen und die anderen wurden zwangsweise in das Umerziehungslager namens "Onlinebuchung" geschickt. Oder man darf sich durch kryptische Zonenmodelle hangeln - auf einem schlecht justierten und durch häufiges angrabbeln halb defekten Touchscreen.
Nun steht seit einigen Jahren die nächste Revolution an, die wieder Arbeitslose produziert und den Kunden zum Mitarbeiter im Unternehmen macht. Bisher in Deutschland noch eher selten, aber im Ausland doch schon öfter anzutreffen, sind SB-Kassen. Anstatt einer professionellen Kraft das Scannen in Rekordgeschwindigkeit zu überlassen (nach dem mit Aldi auch der letzte Vertreter des Preiseintippens umgestellt hat), greift der Kunde selbst zur Pistole und kassiert sich selber ab. Der Vorteil für den Kunden? Keiner. Es dauert länger da man nicht geübt ist und den Barcode auf der Verpackung erst einmal suchen muß (davon was passiert, wenn der Barcode mal wieder im System fehlt, wie es ja auch nach mehr als 35 Jahren Strichcode fast bei jedem Einkauf vorkommt, wollen wir gar nicht reden). Und dann muß man sich auch noch durch das oft grottenschlechte Bedienmenü des Terminals quälen. Das es schneller geht, glaubt man nur, weil man aktiv ist, statt nur die Ware im Einkaufswagen zu deponieren. Trotzdem erproben die großen Handelsketten das System mit Begeisterung, denn so können wieder Personalkosten gesenkt werden. Und nur darum geht es oder fällt irgendwem ein anderes Argument ein? Nur was habe ich davon? Sinken die Preise dann oder dauert es länger bis zur nächsten "Preisanpassung" nach oben, gibt es mehr Service?
Mir bleibt vorerst einmal der Spaß am elektronischen Spielkram. Und meine Tochter kann gleich mal in ein aussterbendes Berufsfeld hineinschnuppern. Also nichts wie ran an die "Expresskassen" beim schwedischen Möbelhaus.
Expresskasse. Quelle: Ikea

Aber kaum steht man da, schleicht sich eine Kassenaufsicht an einen heran und weicht nicht mehr von der Seite. Dein Kind ist ganz fasziniert von den roten und grünen Lichtern und piepsen, wenn der Strichcode erkannt wurde. Die genialen Kassensystemprogrammierer haben zwar eine rudimantäre Funktion vergessen, um zu sagen, man hat einen Artikel gleich mehrfach, aber das ist ja kein Problem, scannt man halt den gleichen Artikel mehrmals, ohne die anderen anzurühren. Aber der Cleverness mißtraut die Aufsicht und schiebt sich auffallend unauffällig noch näher und schielt in die Tasche (die man übrigens schon weit vor dem Kassenbereich hätte leeren müssen, um dann den gesammelten Kleinkram vermutlich im Arm zur Kasse zu tragen, was aber  den Vorteil hätte, daß die Anschleicherin besser sehen kann). Ups, da haben wir doch glatt einen Artikel zweimal gescannt, aber nur einen dabei. Na das sollte so ein Hightechsystem schnell ("expreßartig") regeln können. Also "Storno" anklicken. Aber nein, das geht ja nicht, da muß erst die Kassenaufsicht Ihre Magnetkarte durchziehen und einen Bon für sich ausdrucken. Aber natürlich erst, nach einem gründlichen Verhör, warum man denn den Artikel stornieren will. Scheint ein suspektes Verhalten zu sein. Anschließend wird der Artikel dann weggenommen, weil man ihn ja stornieren wollte. Ja, das heißt aber nicht, daß ich ihn nicht mitnehmen will, er ist doch schon einmal gebucht. Falsche Antwort, jetzt wird das Verhör intensiver, wo ist er denn schon gebucht, man möge das bitte auf dem Terminal zeigen. Von so viel Mißtrauen genervt versuche ich nebenbei dann noch in Ruhe meinem Kind den Unterschied zwischen einem Storno und einer Buchung klarzumachen. Ab jetzt ist man ganz verdächtig und die anderen Aufsichtskräfte samt offenbarem Oberaufseher (vier Kassen, drei Aufseher in Ikeagelb und ein Oberaufseher in Zivil) beäugen den weiteren Vorgang argwöhnisch. Ob der Oberaufseher in Zivil einer Sicherheitsfirma angehört, der sich heroisch vor den voll bepackten Einkaufswagen wirft, sollte man es wagen Ikea zu betrügen? Oder warum trägt der immer kein Ikea-Shirt und steht noch weiter weg, ohne daß er verheimlichen kann, was seine Aufgabe ist? Vielleicht sind es auch alte Stasimitarbeiter - die waren auch immer so unauffällig. Langsam wird aus dem Scannerspiel ein Ärgernis bei dem man sich nur noch Unwohl fühlt, weil die Aufsicht einen auf die Pelle rückt und man jetzt bloß keinen Fehler mehr machen will. Andere SB-Kassenanbieter kontrollieren übrigens auch. Ohne geht es wohl nicht. Aber das läuft dann wenigstens unaufdringlicher ab, in dem einfach alle Waren gewogen werden oder anschließend eine Aufsicht einen schnellen Blick auf den Kassenbon und den Einkaufswagen wirft. Wer mal in der Metro eingekauft hat, der weiß, wie fit diese Leute sind und den Wert eines Einkaufswagens ziemlich gut abschätzen können, ohne jeden Artikel abzuhaken. Kurz vor dem Finale dann aber der GAU. Da haben wir es wieder: wir haben das eine Brett aus dem riesigen Stapel Einlegeböden erwischt, welches keinen Code aufgedruckt hat. Und nun? Hilfe durch die Aufsicht? Nicht doch. Ratlos werden Listen gewälzt, zieht man sich zurück und kommt dann irgendwann zurück mit einer Artikelnummer. Inzwischen habe ich die anderen Teile bezahlt und spiele aus Langeweile mit dem Scanner. Piep! Wieder was gescannt. Jetzt ist aber aus mit lustig! So geht das ja nicht, werde ich zurechtgewiesen.
Wohnen und kaufen darf man, leben und Spaß haben besser nicht. Quelle: Werbespot Ikea

Ja, ich schäme mich, wie kann ich nur. Ist doch ein Storno wie wir wissen so eine komplizierte Sache und die vier Kräfte sind doch schon so überfordert mit dem Spionieren und Preis fürs Brett sondieren. Wo sind nur die netten fröhlichen Leute aus den Werbespots und Werbeaufstellern, die uns alle zu einer Ikea-Family machen wollen und mich duzen? Eine bemitleidenswerte Familie, in der so viel Mißtrauen herrscht. Aber jetzt geht's weiter, hier ist der Code, noch mal zwölf Euro bitte. Nein, das Teil kostet nur sieben! Kann nicht sein, der Kollege hat es doch ausgedruckt. Ja, aber ich weiß es auch, ich habe es aus dem Regal genommen, ich habe zuvor im Internet nachgeschaut, meine Tochter hat fein säuberlich Regalplatz, Artikelnummer und Preis mit einem dieser netten kleinen Bleistifte auf einen Merkzettel geschrieben (nach dem wir übrigens unseren Spaß an einem Infoterminal hatten, an dem es auch einen Scanner gab - hier zum Glück ohne Aufsicht, wer weiß ob wir nicht längst des schnöden Hochregallagers verwiesen worden wären, hätten die uns dabei zugesehen) und all unsere Angaben weichen von denen des allwissenden Kollegen ab. Langes hin und her, der Kollege muß per se Recht haben. Dem Kunden ist zu mißtrauen, wie uns ja nun bereits vorgelebt wurde. Also hole ich mir wutschnaubend ein neues Brett und zahle sieben Euro an einer Bummelkasse (oder wie nennt man die nicht-Expresskassen jetzt?) mit Kassiererin (bei der so wenig Andrang herrscht, daß Sie nebenbei noch die Regale in ihrem Bereich sortieren konnte, bevor Sie mich nett begrüßte und sich zu ihrer Kasse begab). Das geht schneller! Und wenn ich gewollt hätte, hätte ich mir auch noch die Zeit für einen kurzen Schwatz oder gar Flirt nehmen können (wäre ich nicht noch immer so auf expressartigen 180). Mit den Kontrollkräften will ich bestimmt nicht quatschen oder flirten und irgendwann werden auch die wegrationalisiert sein.