Dienstag, 4. November 2014

Fußfessel 2.0

Aktivitätstracker erfreuen sich derzeit größter Beliebtheit und jede Trendsettingfirma will partizipieren. Die Dinger können alles (sogar die Uhrzeit anzeigen): Puls messen, Blutzucker, Schweißbildung (Hautwiderstand und Feuchtigkeit), GPS Koordinaten erfassen, Schritte zählen, Smartwatch-Funktionen, Beschleunigung, UV-Strahlung und und und.
Das alles macht natürlich keinen Spaß,wenn die Daten nicht peppig aufbereitet werden und man sie nicht mit anderen Vollidioten teilen kann. Also alles ab in die herstellereigene Cloud oder irgendeiner Webseite anvertrauen, die von irgendwem (interessiert es sie wirklich, wer dahinter steckt und wie dessen Datenschutzrichtlinien aussehen?) betrieben wird: sobald der Tracker eine Datenverbindung aufbauen kann, werden die gesammelten Daten gesendet.

Microsoft wirbt u. a. mit "Live healthier and be more productive." Lebe ich gesünder, nur weil ich so ein Ding am Arm trage?
Welches Ding bringt mehr Gesundheit: Baby oder Wearable?
Quelle: Werbevideo Microsoft, http://www.microsoft.com/microsoft-band/en-us



Wir lernen ja auch nicht, daß Daten einfach nicht in irgendeine Cloud gehören. In anderen Situationen müssen Gerichte darüber entscheiden, wenn jemandem eine elektronische Fußfessel angelegt werden soll, weil das zwar Freiraum bedeutet aber auch einen massiven Eingriff in die Privatsphäre darstellt. Endlich haben Technikfirmen es geschafft, daß Nerds und technikgeile Lemminge sich so ein Teil nicht nur freiwillig anlegen (und sich auch dem Diktat unterwerfen, täglich (!) den Akku zu laden - möglichst nachts, damit die Ruhephase nicht vom hochgearbeiteten Aktivitätskonto abgezogen wird), sondern sie tragen auch alle Kosten und kaufen sich das Teil selber.

Die Krankenkassen freut's weil sie so den Kunden maßgeschneidert zur Kasse bitten können: faul gewesen? keine Zuzahlung für Blutdrucksenker und Diabetes mellitus. Waghalsig die ungesicherte (GPS sei dank für diese Info) Skipiste runtergeheizt? Keine Übernahme der Folgekosten weil Sie bewußt ein Risiko eingegangen sind. Sie glauben nicht, daß die Kasse das weiß? Aber natürlich! Das sind Tochterunternehmen von den Cloudbetreibern. Wenn nicht jetzt, dann kaufen sie sich bald ein - ist nur eine Frage des Geldes und was mehr kostet: Leistung erbringen oder Daten kaufen.
Das gleiche mit der Versicherung: schnell gefahren? nicht stark genug gebremst und deshalb Unfall nicht vermieden? zu stark gebremst und deshalb Auffahrunfall verursacht? Trotz schnellem Puls und (Angst-) Schweiß gefahren? Und selbst wenn die Fremdfirmen nicht direkt auf diese Daten zugreifen, dann bieten sie einfach selber so ein ähnliches Teil an, locken mit lächerlich kleinen Rabatten und geben sich mit einem hippen Webauftritt als Wolf im Schafspelz aus.
Versicherungen sind Solidargemeinschaften: Wem's (jetzt) gut geht, zahlt für die, denen es schlechter geht. Weil es einen irgendwann immer selber erwischen wird.

Microsoft hat Recht: "be more productive" - Sie können wirklich (kaum) mehr produktiv für die Unternehmen sein.

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