Samstag, 1. November 2014

Egoist, Ich

Gestern pappte ein Zettel unter meinem Scheibenwischer:
So sehen Egoisten aus
Zuerst war ich enttäuscht, hatte ich doch auf die Telefonnummer einer hübschen Blondine samt Foto und zweideutigem Angebot gehofft.

Warum ich so einen Zettel bekomme ist nicht schwer zu erraten. Es ist der gleiche Grund, warum mich wildfremde Leute auf anderen Parkplätzen meinen anpflaumen zu müssen: der deutsche Ordnungssinn wird durch mich unterminiert. Ich parkte wie immer quer auf zwei Stellplätzen. Warum? Weil genügend Platz da ist. Ich würde es nicht machen, wenn Stellraum knapp ist (Und ich kann einparken. Ich habe in einer Großstadt gelernt, wo man es sich nicht überlegen kann, ob ich in eine Parklücke hineinpasse und wo ich auch nicht stundenlang den Verkehr beim Versuch blockieren kann oder wo mich die Nachbarin anruft, weil ihr 30 cm vorne und hinten beim ausparken nicht genügen.) Aber wie ich schon anderweitig äußerte: ich fahre ein großes Auto. Auf Autobahnen darf ich in Baustellen mittlerweile meistens nicht links fahren, sondern muß kilometerlang hinter den LKWs herzuckeln. Grund ist die RSA Teil D: Mindestbreite von Behelfsfahrstreifen. Ist ein Fahrstreifen nur noch 2,5 m breit, wird die Durchfahrtsbreite auf 2 m beschränkt. Seit dem irgend ein geldgeiler Verkehrsüberwacher dieser Tatsache vor ein paar Jahren bemerkt hat und, wird fleißig abkassiert. Laut ADAC sind rund 67 % der zugelassenen Fahrzeuge breiter als 2 m. Viele davon fahren trotzdem links - einfach verdientes Geld. Das drucken der Strafzettel dauert länger als das erfassen der Opfer. Vermutlich verpassen die Ordnungshüter sogar jeden zweiten Autofahrer, weil die zu dicht in den vollen Baustellen fahren, um alle Kennzeichen zu notieren.
Zurück zum Stellplatz: Diese sind nach einer total veralteten Norm (aus einer Zeit als Autos wie Isetta, Käfer oder Trabant den Straßenverkehr prägten) gerade mal in der Regel 2,3 m breit anzulegen. Da derjenige, der den Stellplatz gebaut hat meistens eine Mindestzahl an Plätzen einrichten muß, wird er sich natürlich hüten, breitere Plätze als notwendig anzulegen. Wir Deutschen haben dafür eine Verordnung, die in jedem Bundesland anders ist (gut, daß wir TTIP wollen und so was banales wie Parkplätze nicht einmal vereinfachen und vereinheitlichen können - "ein jeder kehr vor seiner eigenen Tür, da hat er Dreck genug dafür"...). Also: ich darf mit meinem Auto nicht eine Spur befahren, die 20 Zentimeter breiter ist als der Stellplatz, soll mich aber in eine Parklücke quetschen, die auf jeder Seite gerade einmal 8,5 mm (ja, Millimeter!) breiter (S. 36) als mein Fahrzeug ist? Mal abgesehen davon, daß sie sogar bis zu 23,2 cm zu kurz sein kann. OK, ich fahre in der Parklücke nicht 60 oder 80. Aber dafür will ich auf der Autobahn auch nicht die Tür aufmachen und aussteigen oder 'ne Getränkekiste reinstellen. Da trennt sich nämlich Otto-Kleinwagenfahrer von den großen Jungs: während ihr die Kiste hinten über die Ladekante wuchtet und dabei schon überlegt, wo ihr den Rest des Einkaufes nur unterbringen sollt, schiebe ich die Kiste an der Seite rein und überlege mir, wie ich den Einkauf auf der ganzen freien Fläche so hinstellen kann, daß er nicht hin und her rutsch. Also stelle ich mich quer auf zwei Stellplätze, so daß Platz bleibt, weil der nächste brave Deutsche sich nicht etwa an meinem Fahrzeug orientiert, wie er sich hinstellt, sondern an den Bodenmarkierungen. So kann ich (und die viel zu selten bei mir mitfahrende oben genannte Blondine) bequem ein- und aussteigen ohne die Tür dem Nachbarn in die Flanke zu hauen (und gehauen zu bekommen), kann meine Einkäufe verladen und kann auch noch in einem Zug aus der Lücke herausfahren.
Das eigentlich fast die meisten Autofahrer gern mehr Platz hätten, zeigt sich im Winter wenn es geschneit hat: dann sieht man die Striche am Boden nicht und die Leute parken nach Gefühl nebeneinander - mit viel größeren Abständen, als sonst - so wie es eben bequem ist und nicht, wie ein paar seelenlose Markierungsstreifen und selbsternannte Schulmeister es mir vorschreiben wollen.

Übrigens, wo ich den Zettel bekommen habe? Auf dem Parkplatz vom Sportcenter. Es ist vermutlich so, daß der anonyme Blockwart zu faul ist, ein paar Meter auf dem (wie gesagt: freien) Parkplatz zu laufen bevor er zu seinem indoor Laufband kommt.

















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