Samstag, 6. November 2010

"Paßt nicht durch"

Erinnert sich wer an seine Kindheit? Hat nicht jeder dieses Holzspiel gehabt? Damals hat man gelernt, daß das runde nicht ins eckige paßt.

Hilfsarbeiter in Postfilialen und vor allem Verkaufspunkten haben diese Kindheitserfahrung offenbar durch die Bank weg ausgelassen. Vielleicht ist es auch Einstellungskriterium, bei diesem Spiel zu versagen. Wie sonst erklärt sich die folgende Begebenheit, die sich mehrfach wiederholte:

Ich verschicke regelmäßig Ware in die ganze Welt. EU-weit per Paketdienst aber den Rest verschicke ich per Post, da dies einfacher und in meinem Fall günstiger ist. Die Ware paßt dabei in eine Pappkiste mit den Abmessungen 200x150x70mm. das entspricht in etwa der Größe einer Kosmetiktücherbox. Damit es keinen Ärger gibt, soll die Sendung versichert sein und eine Trackingnummer haben. Als Postkunde ist man ja ein gewisses Angebotchaos gewöhnt und so informiert man sich im Vorfeld, was es an Möglichkeiten gibt. Natürlich denkt man angesichts der paketförmigen Verpackung als erstes an ein Paket. Nehmen wir mal an, das soll nach Kroatien gehen. Nicht so weit weg, eigentlich EU aber bei der Post/DHL dann doch eine Sache von €30,-. Etwas zu teuer. Da gibt's doch Päckchen. Doch leider vergessen die meisten, daß diese zwar teuer (€ 13,90) aber eben nicht versichert sind. Aber da tut sich die Lücke im System auf: Meine Pakete sind leicht (weniger als 2kg) und wenn man sich die Mühe macht, die Broschüre Leistungen und Preise ausgiebig zu studieren, findet man das passende günstige Angebot: Großbrief + Einschreiben bzw. Wertbrief International. Hört sich zwar kompliziert an, ist aber eine einfache Sache, wenn man sich die Teile einzeln anschaut:
  • Großbrief: Kostet in Europa (und nur bei einem Brief liegt Kroatien wirklich in Europa und nicht in der Welt) €3,40.
  • Einschreiben: Leistet für €2,05 eine Versicherung bis ca. €33,- und ermöglicht das Tracking bzw. wenn nicht, ist es das Problem der Post festzustellen, wo die Sendung ist und ob sie zugestellt wurde. Ich brauche auch keine Zusatzleistung wie Rückschein, da man im Zweifelsfall einfach einen kostenlosen Rechercheauftrag Online an die Post schicken kann und die dann den schwarzen Peter haben und einem nach einiger Zeit schriftlich mitteilen, das die Sendung wann und wo zugestellt wurde.
  • Wertbrief International ist notwendig, wenn der Warenwert höher als der Versicherungsbetrag des Einschreibens liegt. Für €2,05 (das ist der gleiche Preis wie fürs Einschreiben, welches beim Wertbrief nicht benötigt wird) kann man dann für je  €1,50 pro €100,- Warenwert beliebig die Versicherungssumme aufstocken.
Für wirklich günstige €5,45 bekommt man also in der Regel was man will.

Jetzt kommt aber der Haken, an dem die Postmitarbeiter scheitern: dem lesen ihrer eigenen Infobroschüre. Wenn man nämlich eine Sendung in Paketform ansieht, denkt man nicht an einen Brief. Der Kunde ist ja blöd. Also nimmt der Postmitarbeiter die Sendung, zieht die Schublade unter seinem Verkaufstisch auf und fördert so eine Paßschablone zu Tage. In dieser gibt es einen Schlitz, welcher die erlaubte Größe eine Großbriefes hat. Nun wird demonstrativ das Paket genommen und probiert, es durch den 2cm breiten Schlitz zu schieben. "Das paßt da nicht durch". Gut erkannt, das weiß ich und das kann man auch durch reine in Augenscheinnahme erkennen, denn meine Sendung ist 7cm dick - das ist der Punkt, an dem eigentlich die Kindheitserfahrung greifen sollten, bei der man lernt Größenverhältnisse per Augenmaß abschätzen zu können und nicht erst dadurch, daß man es hin und her wendet und ausprobiert.

Für den Postmitarbeiter kommt nun der Punkt, wo er dem Kunden erklären muß, daß das, was nicht durch den Schlitz paßt, kein Brief ist. Das wurde wohl auf den (halbstündigen?) Einweisungen für angehende Postverkaufspunktmitarbeiter als Lebensweisheit eingetrichtert.

Jaha. Aber wenn sie da mal ihre eigenen Produkte genauer studieren würden, dann wüßten sie, das es da eine Besonderheit gibt. Gut, ich gebe es zu: sie ist nicht leicht zu finden. In älteren Prospekten mußte man sich dafür über drei Fußnoten weit durchhangeln. Aber es ist so: Für einen Großbrief gelten in Europa und der Welt die Höchstmaße wie beim Maxibrief International. Wenn man diese Erkenntnis gelesen hat, geht's weiter zum Maxibrief International. Dort steht dann: Höchstgewicht: 2kg. Und: Höchstmaße: L+B+H = 900mm. Das ist fast ein Meter - das ist eine riesige Kiste! Und das ist ein Brief - auch wenn's nicht danach aussieht und nicht durch die Schablone paßt, die nämlich nur für nationale Sendungen konzipiert ist.

In meiner Stadt gibt es mehrere Verkaufpunkte. Jeder hat mehrere Mitarbeiter. Und jedesmal muß ich das neu erklären. Selbst allen Mitarbeitern bei der einzigen echten Postfiliale, habe ich das inzwischen beigebracht. Die kennen mich jetzt wenigstens und zicken nicht mehr rum. Die Personalfluktuation an den Verkaufspunkten ist aber so hoch, daß meine missionarische Bereitschaft langsam sinkt und ich genervt reagiere, wenn ich dann auf den Prospekt verweise, den Mitarbeiter auffordere, gemeinsam mit mir einen Blick hineinzuwerfen und dieser dann mit Unwillen reagiert und sagt "wenn sie das so wollen, mache ich das, aber auf ihre Verantwortung wenn's dann zurückkommt". Wow, das ist Servicebereitschaft und man sieht, wie sich der Mitarbeiter mit seinem Produkt, was er verkauft, identifiziert.

Ach ja: Mit der Erkenntnis, daß es ein Brief ist und ich ein Einschreiben will, ist es leider noch immer nicht getan. Jetzt kommt die nächste Hürde: Wenn ich die Sendung in ein nicht-EU Land schicke, handelt es sich um einen Warenexport. Der Empfänger ist also Mehwertsteuerbefreit. In meiner Rechnung wird diese nicht ausgewiesen. Dafür verlangt aber das Finanzamt einen Exportbeleg, da ich sonst zur Nachzahlung der Mehrwertsteuer verpflichtet werde. Kein Problem: Dazu ist der Postmitarbeiter verpflichtet, den Empfänger auf dem Kassenbeleg des Einschreibens (mit der aufgedruckten Trackingnummer) handschriftlich einzutragen. Immerhin: die echten Postangestellten wissen und machen das. Aber bei den Verkaufspunkthiwis stößt mein Hinweis darauf auf ungläubige Ablehnung. Gut, dann bitte einen Kuli, ich mache das selber. Ist ja auch doof, wenn so ein unbequemer Kunde, an dem man vermutlich nur ein paar Cent verdient den Betrieb des Zeitungskiosk lahm legt. Aber ich habe ja eigentlich andererseits keinen gezwungen, diese Postdienste zu offerieren. Aber ich erwarte dann wenigstens, daß in meiner Anwesenheit die Einschreibenaufkleber auf die Pakete geklebt werden und nicht liegengelassen werden ("das mache ich dann später"), um lieber die genervt wartenden Nikotin- und Lottosüchtigen abzufertigen. Sind die eigentlich genervt, weil ich so unbequem bin und eine angebotene Leitung auch wünsche oder weil sie erkennen, daß der Mitarbeiter unwissend ist? leider befürchte ich, daß der Groll gegen mich gerichtet ist.

2 Kommentare:

  1. Habe herzhaft gelacht und mich an Diskussionen über Teer vs. Bitumen in
    Dachpappe an der Annahmestelle einer Abfall-Umladestation erinnert

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  2. Was mir noch einfällt: Es liegt doch eigentlich im Interesse des Verkäufers, den Kunden gut zu beraten.
    Wenn also Omi zu Weihnachten kommt und Ihre paketförmige Sendung aufgeben will, ist die doch bestimmt dankbar und eine wiederkommende Kundin, wenn sie für die gleiche Leistung statt 30 Euro nur einen Bruchteil zahlen muß. Das nenne ich Service, durch den sich ein Geschäft auszeichnen sollte. Ansonsten können wir die ganzen Angestellten auch entlassen und durch Automaten ersetzen - ist ja eh in der Mache.

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