In den letzten Wochen machen die USA Schlagzeilen durch Aufdeckung des PRISM Überwachungsprogramms zur Überwachung und Auswertung von elektronischen Medien und elektronisch gespeicherten Daten seitens der NSA. Es sind so viele Meldungen und erschreckende Aufdeckungen, daß ich laut Schreien möchte. Jeder Idiot, der sich sicher fühlt und der Meinung ist, Überwachung sei notwendig und gerechtfertigt, um die Sicherheit eines Landes vor (teilweise imaginären) Gefahren zu beschützen, dem sollte umgehend die Wahlberechtigung entzogen werden. Die USA überwachen alles.
Die Zahl der Newsbeiträge alleine bei heise ist so groß, daß ich sie alle gar nicht hier kommentieren oder zusammenfassen kann.
- Anrufe werden aufgezeichnet und gespeichert und nachträglich abgehört: Ex-Terrorfahnder: Keine digitale Kommunikation ist sicher
- USA: Polizeiliche Netzüberwachung ohne Richterbeschluss
- US-Regierung zapft Kundendaten von Internet-Firmen an
- Whisteblower Snowden lieferte tausende Dokumente über PRISM
- Facebook und Microsoft informieren ein wenig über NSA-Anfragen (bei der Vielzahl an Abfragen ist es rein rechnerisch gar nicht möglich, daß für jede Abfrage ein Richter sein OK gab)
Früher exportierten die USA neue Trends, Weltanschauung und den American Way of Live. Heute ist es Angst. Und alle Länder lassen sich anstecken. Aus Angst vor einer möglichen Gefahr, die keiner genau beschreiben kann, die keiner kennt und über die keiner redet, weil er zum Stillschweigen verdonnert ist, lassen wir uns in unseren Freiheiten beschneiden, nehmen immer mehr Überwachung und Kontrolle in Kauf und lächeln über die, die Orwell zitieren. Ist doch (noch!) alles nicht so schlimm, das hat doch seine Berechtigung, das ist zum Wohle der Allgemeinheit.
Und was haben wir davon? Weniger Angst? Nein.
Während ehemalige Präsidenten im offenen Wagen durch die jubelnde Volksmasse fuhren und vor dem Schöneberger Rathaus oder dem Brandenburger Tor sich feiern und ins Herz schließen ließen, verschanzt sich der Präsident der freien Welt aus lauter Angst um sein kleines, bedeutungloses Leben, hinter zentimeterdicken Panzerglas und ruft seine Rede einer handverlesenen Schar von Zuschauern mit Winkelementen zu - ganz so, wie man es aus jeder Diktatur kennt.
Ja, wir leben in einer Diktatur, wenn wir und von anderen diktieren lassen, daß wir Angst haben sollen, daß wir ständig bedroht werden. Hätten Sie Angst, wenn der Terror nicht mindestens einmal täglich irgendwo breitgetreten werden würde? Ich habe keine Angst vor einer nicht greifbaren, abstrakten Gefahr.
Aber wieso schicken wir Soldaten in den Krieg, nehmen hin, daß sie sterben und sind dann auch noch Stolz darauf (oder unsere Bündnispartner sind es)?
Die weitläufige Überwachung von Telefonverbindungen und des Internet durch amerikanische Geheimdienste hat nach Angaben der US-Behörden in den vergangenen Jahren etwa 50 Terror-Verschwörungen in 20 Ländern vereitelt.Wohlgemerkt: "Verschwörungen" nicht Attentate! Nachprüfen kann das keiner. Wieviele Menschen wären dabei vielleicht gestorben?
Quelle: http://www.zeit.de/digital/2013-06/obama-nsa-terroranschlaege
Aber nicht nur die USA spionieren. Auch die deutschen (und viele andere Staaten auch) und sie wollen immer mehr Daten durchforsten.
2011 hatte der Bundesnachrichtendienst fast 2,9 Millionen E-Mails und SMS wegen des Verdachts auf Terrorismus, Waffen- oder Menschenhandel überprüft.Und (angeblich) haben die deutschen Politiker nicht einmal davon gewußt, daß sie selbst von den Briten ausgeschnüffelt werden. Da fragt man sich doch, wozu die eigene Schnüffelei gut ist, wenn man nicht einmal den Feind im eigenen Bett erkennt. Aber vermutlich hätte man dazu einfach noch mehr Nachrichten "überprüfen" müssen. Ist doch eigentlich eine gute Argumentation: "Wir brauchen die totale Überwachung, damit wir die totale Überwachung anderer überwachen können".
Bericht des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestages (PDF)
Die Vogel-Strauß-Nutzer werden auch dies nicht als störend empfinden. Aber sie sollten sich überlegen, wie es weitergeht: Britische Internet-Provider müssen Porno-Filter einsetzen. Das ist Zensur! Wer Pornos zensieren kann, hat die Technik zur Hand, alle anderen Inhalte auch zu zensieren. Die Zensur erfolgt nämlich auf Basis einer Liste von Webadressen und nicht auf Analyse tatsächlicher Inhalte. Wer entscheidet, was zensiert werden darf oder wie weit wir entmündigt werden dürfen?
Damit komme ich zur Statistik am Anfang: Für Frieden, Freiheit, Öl und Waffengeschäfte opfern wir tausende Zivilisten und Soldaten bereitwillig. Vielleicht sollten wir lieber auch ein paar Opfer durch Verschwörungen akzeptieren, bevor wir hinnehmen, daß wir (wieder) in einem Stasi-Staat leben. Gänzlich verhindert hat die ganze Schnüffelei nämlich gar nichts. Es gab schon immer Tote, weil andere ihre Ideologie (von Glauben, Frieden, Gerechtigkeit usw.) nicht mit Worten durchsetzen konnten, sondern lieber zur Waffe griffen. Wieso muß es jetzt friedlicher werden und für den kläglichen Versuch werden viele Freiheiten, für die unsere Vorfahren und Mitmenschen gekämpft haben, die in unserer Verfassung oder dem Grundgesetz garantiert sind, auf dem Altar der Terrorismusbekämpfung geopfert?
Es ist schon peinlich: Ein Staat, der sonst vermeintliche Feinde ohne Gerichtsverfahren oder Zubilligung von Menschenrechten einfach entführt und verschleppt, bettelt bei den Mächten, die er vorher ausgespäht und so gegen sich aufgebracht hat, nun darum, daß ihm ihr derzeitiger Staatsfeind Nr. 1 ausgeliefert wird.
[US-Außenminister John Kerry] drängte Russland demnach dazu, sich an die juristischen Standards zu halten, "denn das ist in jedermanns Interesse"[1].Datenschutz und Privatsphäre sind dann wohl keine Standards in jedermanns Interesse, sondern Werkzeuge des Terrorismus. Und trotz der allumfassenden Überwachung wissen sie nicht einmal, wo sich "der böse Verräter" gerade aufhält.
Nachtrag v. 1.7.13: Es eskaliert immer weiter. Es steht aber zu befürchten, daß keine Lehren daraus gezogen werden. Immerhin buckelt die Bundesregierung und die EU seit Jahren vor den USA und liefert immer wieder Daten frei Haus.
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