Samstag, 10. September 2016

Fakeprofile - oder: Tinder ohne 50 Facebook-Freunde

Letztens hat mir einer beim Kneipenbesuch von seinem Tindergarten erzählt. Da ich selbst von den Singlebörsen eher enttäuscht bin, wurde ich hellhörig. Angeblich sei es ganz einfach, da neue Kontakte zu finden und auch IRL zu treffen. Geschätzte 800 potentielle weibliche Fotos gab es allein für die derzeitige Mini-Metropolen-Region. Einfach wisch und weg, um zwischen hop und flop zu entscheiden.
Also auch mal testen: Nach ein paar Minuten war klar: das hatte ich schon. Und dann endete der Versuch, weil man sich nur mit einem Facebook.Account anmelden kann. Und den habe ich nicht - zumindest keinen mit echten Daten über mich. Also einen neuen Account anlegen. Facebook und Twitter & Co. wollen das natürlich nicht und nerven einen mit Bestätigungscodes, die sie am liebsten per SMS versenden wollen. Klar, ich gebe denen einfach meine Handynummer. Dummerweise gehen die meisten virtuellen SMS-Dienste nicht mehr. Die Anbieter haben die Nummern gesperrt. Aber mit ein wenig Geduld und zwei weiteren Fake-Email-Accounts, die man bei Gmail und Yahoo sehr einfach einrichten kann, klappt es dann irgendwann, sich einen Code per Email zusenden zu lassen. Als nächstes will Tinder aber dann auch noch eine SMS versenden. Und die sind hartnäckig und akzeptieren keine Email. Aber selbst, wenn man dann eine echte Handynummer angibt, klappt es nicht und man erfährt nur, daß es einen Fehler beim generieren des Codes gab. Eine Websuche fördert dann zu Tage, daß man bei Facebook 50 Freunde haben muß.
Kein Problem. Ich kapiere ja Facebook eh nicht. Was soll das? Ich klicke wild rum und markiere irgendeinen dummen Quatsch mit einem Like und Teile das dann ggf. noch öffentlich, so daß der Kram in meinem Profil auftaucht. So kann man schnell ein aktives Profil vorgaukeln. Einfach bei Facebook nach Freunden suchen und dann wahllos die angezeigten Leute als Freunde hinzufügen ist auch ganz einfach.

Quelle: https://www.facebook.com/

Das macht man bei etwa 50 beliebigen Leuten. Keine Ahnung wer das ist, was die wollen, wie die politisch ticken - ist mir doch egal, ich will ja nur einen Fake-Account. Wenige Minuten später trudeln dann auch die ersten angenommenen Anfragen ein. Jetzt braucht man nur noch auf Bestätigen zu klicken und schon hat man neue Freunde. Anscheinend sind die ausgewählten Pseudo-Freunde alle so geil auf eigene Freunde, daß die wahllos die Anfragen annehmen. Innerhalb von 20 Minuten hatte ich so über 300 eigene Freunde.
Wundert sich da noch jemand, wenn sich alle über die schlechten Umgangsformen bei Twitter, in Foren und bei Facebook beschweren, wenn die Authentifizierung von Angeboten immer auf die gleichen anderen Angeboten basieren und man sich im Grunde im Kreis herum eigenständig als interessante, real existierende Persönlichkeit bestätigen kann? Ich wundere mich nur, wie viele Leute da ihre echten Daten angeben und halbnackte Fotos frei Verfügbar machen, die ich dann auch noch weiter verteilen kann und sogar soll.






Donnerstag, 24. März 2016

Der Verlust von Glaubwürdigkeit, Nutzen und Qualität

Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde.
Und die Erde war wüst und leer, und es war finster auf der Tiefe;
und der Geist Gottes schwebte auf dem Wasser.
Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht.
Und Gott sah, daß das Licht gut war.
Da schied Gott das Licht von der Finsternis
und nannte das Licht Google und die Finsternis Nacht.[frei nach 1.Mose 1]

Google ward plain und smart;
und lieferte das, was man suchte
Und Larry Page sprach: Lasset den Mensch uns abhängig machen.
Und der Mensch wurde Abhängig.
Und dem Gott Kommerz gefiel das.

Seit dem sind die Zeiten vorbei, in denen Google einfach das lieferte, was man suchte und auch das, was man gar nicht wußte, daß man es sucht. Inzwischen beherrscht Werbung die Suchergebnisse. Von dezent am Rand sind sie immer mehr in den Vordergrund gerückt. Sei es für bezahlende Anbieter, sei es für Google-Dienste. So sehr, daß man inzwischen teilweise nur noch Werbung sieht.
Aber soll es nicht um das Böse per se gehen.

Mich ärgert Amazon. Schon lange predige ich, dort nicht zu kaufen. Bzw. nur dann, wenn es wirklich einen Vorteil bringt. Bücher gehörten noch nie dazu, denn die bekommt man überall zum gleichen Preis und kostenlos nach Hause. Bisher war aber einer der großen Vorteile von Amazon, daß sich dort viele Hobby-Rezensenten tummeln. Ist eine kritische Masse an Meinungen pro Artikel erreicht, kann man sich ein ganz brauchbares Bild schaffen. Bei Gebrauchsgegenständen ist dies aber zweifelsfrei praktisch. Bei Büchern ist da sicher viel persönlicher Geschmack dabei. Und ob es wirklich sinnvoll ist, die 958. Bewertung abzugeben, schiebe ich eher auf die heutige Profilneurose der inhaltsleeren Selbstdarstellung. Schon immer mußte man dann auch noch diejenigen ausfiltern, die einfach nicht den Unterschied zwischen einer Anbieterbewertung und einer Produktbewertung kapieren und als Produktbewertung schreiben "schnelle Lieferung, gute Verpackung" oder durch mit einem Sternchen versehene Kommentare à la "falsche Lieferung" die Durchschnittswertung herabziehen.

Quelle: http://www.amazon.de

Trotzdem können auch Berichte bei Büchern hilfreich sein. Wenn zum Beispiel die Papierqualität, das Schriftbild, die Bindung oder auch die Übersetzung reflektiert werden. "Schaue bei Amazon, kaufe bei buch.de", lautete mein Motto. Dort liegt die Zahl der Bewertungen leider im Promillebereich, obwohl sie vor ein paar Jahren sogar noch honoriert wurden.
Quelle: http://www.buch.de
Amazon (aber auch Buch.de) sind aber inzwischen dazu übergegangen, einfach alle Bewertungen wild durcheinander zu würfeln. Solange der Titel halbwegs übereinstimmt, wird einfach eine Auswahl an Beiträgen angezeigt.
Eine Suche nach "Moby Dick" fördert die tollsten Resultate hervor:
  • Auf der Artikelseite häufen sich die englischen Kommentare von 1999 und früher. Interessant, wo es sich doch um eine eindeutig deutschsprachige Ausgabe handelt, die vor allem erst 2016 erschien. Damit die Bewertungen noch wertvoller erscheinen und die Glaubwürdigkeit steigt, hat Amazon die Funktion "Verifizierter Verkauf" eingeführt (wieviele Kunden das lateinische Wort überhaupt kennen mögen?). Glücklich der Kunde, der Zeitreisen entdeckt haben muß und die Ausgabe von 2016 schon Mitte 2015 gebraucht kaufen konnte. 
Quelle: http://www.amazon.de
  • Aber auch Buch.de schafft es, Bewertungen für genau die gleiche Ausgabe so zuzuordnen, daß man schon sehr genau lesen muß: Was denn nun? Keine Bewertungen, Bewertung für gebundene Ausgabe, Manga?
Quelle: http://www.buch.de

  • Schwierig wird es bei diesem Angebot: Es gibt ein Taschenbuch und eine gebundene Ausgabe. Eine Bewertung schreibt:
  • Quelle: http://www.amazon.de
    Das ist hilfreich, die Ausgabe will ich nicht. Nur welche mag das sein? Ich vermute mal, die gebundene.
  • "Blick ins Buch" und "Leseprobe" sind eigentlich auch ganz hilfreich. Amazon zeigt zwar regelmäßig andere Exemplare an, als man eigentlich angeklickt hat, weist aber immerhin (etwas unauffällig) darauf hin:
Quelle: http://www.amazon.de

Quelle: http://www.buch.de

All das ist nur eine kleine Auswahl. Aber es zeigt den Weg: hin zur Unbrauchbarkeit. So wie Gott erkannte, daß der Mensch ein Irrtum war, bleibt zu hoffen, daß irgendwann die neuen Götter auch erkennen, daß wir keine Werbung und Qualität wollen. Aber vielleicht liegt es auch am Menschen: er ist nicht perfekt. Wird Zeit, daß wir wieder jemanden aus dem Paradies verbannen - nur wen?

Samstag, 12. März 2016

Ich will die Mauer wieder haben

Es bleibt peinlich, wenn es um die Flüchtlingspolitik geht. Millionen frieren, hungern, sind verängstigt, weil (demokratisch gewählte) Faschisten und nationale Volkshetzer in den deutschen und europäischen Reihen demagogische, bierseelige Stammtisch- und Latrinenparolen verbreiten, um sich zu profilieren und nach 70 Jahren denken, daß ihre bisher kaschierte nationalistische Fremdenfeindlichkeit und Volk-von-Gottes-Gnaden-Denke endlich wieder salonfähig ist.
Wen wundert's, daß die nationalistisch Verbohrten und die völkisch Verblödeten, eigentlich am dringendsten neues Blut in ihren Reihen bräuchten. Aber vielleicht ist es auch ganz gut, wenn Länder, in denen solche Nazi-Politiker und Bürger leben, aussterben: "In den neuen Bundesländern sterben seit 1969 Jahr für Jahr mehr Leute, als geboren werden, in den alten Bundesländern ist das seit 1972 der Fall"[1]. Ich hoffe, das geht hier und im Osten schneller voran - dann ist endlich Lebensraum im Osten für Menschen, die es vielleicht würdigen.
Es ist ja auch nur der übliche Politiker-Irrsinn, daß man lieber einen Grenzzaun in jedem Land hochzieht, der Milliarden kostet, als daß man den Menschen für ein paar Millionen hilft.
Um den aktuellen Anne-Frank-Film frei zu zitieren: "Da, wo sieben Menschen satt werden, werden es auch acht." Oder:Da, wo 81,5 Millionen in Wohlstand leben, sollten es 92,9 Millionen (11,41 Millionen - das sind die gleichen 14 % wie im Hinterhaus) mehr auch können. Was sind angesichts dieser gigantischen Kapazität die real existierenden 1 Millionen Flüchtlinge?

Samstag, 6. Februar 2016

Unbezahlter Mitarbeiter bei Goolge werden

CAPTCHAs sind eine praktische Methode sicherzustellen, daß der Anwender ein Mensch ist und nicht irgendeine Software sich (automatisch) Zugang verschaffen will. Meistens handelt es sich dabei um irgendwelche sinnlosen Zeichen. Google dachte sich, daß man das Potential der zig-Tausend oder Millionen täglicher Abfragen auch sinnvoll nutzen kann. Ein Projekt von Google besteht darin, (alte) Bücher zu scannen und zu veröffentlichen. Damit die Texte durchsucht werden können, ist eine Schrifterkennung (OCR) notwendig. Diese scheitert sehr oft bei alten Vorlagen, weil die Schrifttypen sehr verschieden sind und die Vorlagen oft von schlechter Qualität oder verschmutzt sind. Menschen sind in der Lage, die Wörter trotzdem zu erkennen. In den Captchas wird deshalb ein unbekanntes Wort und ein bekanntest Wort angezeigt.

Der Benutzer gibt beide ein. Ist die Eingabe des bekannten Wortes korrekt, gilt der Benutzer über das Captcha als verifiziert und die Eingabe für das unbekannte Wort wird gespeichert. Das unbekannte Wort wird einer Vielzahl an Benutzern gezeigt. In der Datenbank entsteht so ein Sammlung von Eingaben. Das Wort, welches am häufigsten eingegeben wurde, dürfte mit relativ hoher Sicherheit das richtige sein. So können Tippfehler und andere Fehlerquellen minimiert werden. Durch die hohe Anzahl an Teilnehmern werden so relativ schnell viele Wörter erkannt und können voll automatisch in die Texterkennung übernommen werden.
Das ist eigentlich eine gute und sinnvolle Idee. Natürlich birgt die Nutzung von Google-Diensten wie immer die Gefahr, daß Google weitere Daten sammelt und Profile erstellt. Google kann jedes Captcha einer Anwendung zuordnen, da sich derjenige, der das Captcha anzeigen will, um den Nutzer zu überprüfen, für die Nutzung von reCaptcha bei Google eine Kennung besorgen muß.
Seit 2012 ging Google dazu über, auch gelegentlich Hausnummer anzuzeigen, die deren Streeview-Fahrzeuge aufgenommen haben. Das passierte aber nur gelegentlich und es war problemlos möglich, das jeweilige Captcha zu überspringen und wieder ein herkömmliches zu bekommen. Jetzt geht reCaptcha aber weiter und läßt massiv Straßenschilder bearbeiten. Es werden keine anderen Texte mehr präsentiert. Damit versucht Google seinen eigenen Streetview Dienst zu optimieren. Der Benutzer wird somit zum unbezahlten Mitarbeiter bei Google ohne daß die Allgemeinheit davon wirklich profitiert.